Die Zeit fassbar machen

In der Uhrmacherei von Walther Signer wird die Zeit mit Hilfe von ausgeklügelten Uhrwerken fassbar gemacht. Beim Werkstattbesuch zeigte er den Altstadtbewohnern wie.

Das GZ Altstadthaus lud alle Interessierten dazu ein, einen Einblick in die von den grossen Passantenströmen abgeschiedene Uhrmacherei von Walther Signer an der Neustadtgasse 4 im Oberdorf zu nehmen. So fand sich am 1. Februar eine Gruppe von knapp zehn Personen im hellen Atelier mit den grossen Schaufenstern ein.
Walther Signer hatte genug davon, ständig kaputte Uhren zu reparieren. Sein Wunsch war es, selbst eine Uhr anzufertigen und dies nach seinem Gusto. Im Frühling sind es zwanzig Jahre, seit er diesen Wunsch in Tat umsetzte, und von seiner Stelle an der Bahnhofstrasse in seine eigene Werkstatt in der Altstadt wechselte. Am 24. April 1987 feierte er mit seinem Kollegen Jim Gerber, mit dem er bis vor drei Jahren die Werkstatt betrieb, Eröffnung; jetzt gehört seine Werkstatt schon zu den Alteingesessenen. «Ich mag es, mit grösseren Teilen zu arbeiten, dann weiss man, was man in den Händen hat», sagt er. Dennoch ist Genauigkeit oberstes Gebot, denn auch wenn die verschiedenen Teile des Uhrwerks grösser sind, kann jeder kleine Fehler verheerend für das ganze Resultat sein. Es liegt also nicht an der fehlenden Präzision, sondern an der Freude, mit den Materialien zu experimentieren, dass Walther Signer der Konstruktion von grösseren Uhren den Vorzug gibt. Mit ihnen macht er die vergängliche Zeit sichtbar.

Eine eigene Arbeitsphilosophie
Für seine erste Uhr, die er in der neuen Werkstatt angefertigt hat, gibt es eine kleine Broschüre mit den Titel «Meine Pendeluhr 1992», in der er die Entstehung dieser Präzisionspendeluhr mit Halbsekundenpendel dokumentiert. Er schreibt darin: «Meine Vorstellungen brachte ich nun aus meinem Kopf zuerst aufs Papier, dann, anhand meiner Skizzen und Pläne, fertigte ich die Teile an, setzte sie zusammen und am 20. März 1992 ist meine erste, vollständig selbst fabrizierte Uhr fertig.» Die Tischuhr steht auf einem Sockel aus Granit und wird von einem Glaskasten umschlossen, der den Einblick in die inneren Geheimnisse der Uhr ermöglicht. «Und das läuft?», fragt eine Besucherin angesichts der kompliziert scheinenden Mechanik. «Eben nicht mehr», antwortet der Uhrmacher mit einem Lachen, denn die Uhr ist seit langem revisionsbedürftig.
Auch seit der Vollendung dieses Werks, an dem er fünf Jahre gearbeitet hatte, pflegt er seine eigene Arbeitsphilosophie. «Eigentlich mache ich alles für mich selbst», sagt er und fügt hinzu: «Und ich mache es so, wie ich es gut finde.» Auf Auftrag arbeitet er ungern, denn oft stimmen die Kundenwünsche und seine Vorstellungen nicht überein und Kompromisse machen, die ihn nicht überzeugen, will er nicht. Wenn ihn eine Idee bewegt, versucht er diese schrittweise zu realisieren und auch zu verbessern.

Planetarien und Sonnenuhren
So zum Beispiel bei den grossen Planetarien, die im Schaufenster ausgestellt sind. Bei seinem ersten Planetarium war, wie es seit der kopernikanischen Wende so üblich ist, die Sonne in der Mitte und die Erde und die Planeten zogen ihre Kreise rundherum. Walther Signer war unbefriedigt von dieser Tatsache, denn «wir auf der Erde haben ja das Gefühl, in der Mitte von allem zu sein». Deshalb baute er ein zweites Planetarium, das wissenschaftlich zwar korrekt ist, aber dennoch auch dieses Gefühl in der Mitte zu sein berücksichtigt. Die blaue Erde steht in der Mitte still und dennoch sieht es so aus, als ob sie sich mit den anderen Planeten um die Sonne drehen würde. Dieser Effekt wird durch ein komplexes Zwei-Ebenen-System ermöglicht.
Planetarien zu bauen ist bei Weitem nicht die einzige aussergewöhnliche Idee von Walther Signer. Er hat auch schon die verschiedensten Arten von Sonnenuhren (Standmodelle aus Silber oder solche, die portabel sind) konstruiert und umgesetzt. So verkauft er ab und zu eines seiner nach eigener Vorstellung konzipierten Werke, die gut und gerne 50 000 Franken kosten. Wenn sich jedoch eine Person für eine seiner Uhren interessiert, die ihm nicht geeignet erscheint, so blockt er auch mal ab und verhindert einen Verkauf.
Der Uhrmacherberuf sei nach wie vor gefragt, die meisten Rhabilleure (so die eigentliche Berufsbezeichnung) fänden leicht eine Stelle. In der vierjährigen Ausbildung lernt man alle Arten von Uhren instand zu stellen und einige Werkzeuge selbst anzufertigen. Danach steht den Ausgebildeten die Möglichkeit offen, in einem Geschäft oder auch in einer Fabrik zu arbeiten. Selbständig so wir er, der sich selbst als «Glückskind» betrachtet, seien jedoch die Wenigsten. Wichtig für einen Uhrmacher sei es, exakt arbeiten zu können; ein gewisses Verständnis für Technik und Mathematik dürfe nicht fehlen. Walther Signer selbst scheint mit seiner ruhigen und zurückhaltenden Art genau das Richtige gefunden zu haben.

Präzision und Geduld
Zum Schluss des Besuchs zeigt er, wie man ein Zahnrad herstellt. Die Bohrmaschine und die Drehbank sind seine wichtigsten Hilfsmittel. Neben dem «Laubsägeli», mit dem er alle Teile aussägt. Der harte Messingkreis, in den die Zacken geschnitten werden, schmilzt wie Butter. Elegant bedient Walther Signer die Maschine, die Hände sind ruhig und sein Blick konzentriert. Nach etwa zwanzig Minuten hat er zwei Zacken in das Rad geschliffen und es wird deutlich, welch ein Aufwand hinter der Anfertigung der zuvor bestaunten Preziosen steht – ein richtiges Geduldspiel.

Claudia Keller

Uhrmacherei Walther Signer, Neustadtgasse 4,
8001 Zürich, Tel. 044 251 47 49.

Der nächste Werkstattbesuch findet statt am Mittwoch, 28. März, 18 Uhr: Im Tierpräparatoren-Atelier des Zoologischen Museums, mit Beat Häusler; Treffpunkt im Foyer, Karl-Schmid-Strasse 4.