Wohnen, Gewerbe, Verkehr…

Der Altstadt Kurier hat alle Parteien eingeladen, eine oder zwei ihrer Kandidatinnen und Kandidaten im Wahlkreis 1+2 zur Teilnahme an einer Gesprächsrunde zu entsenden. Mit dieser nicht öffentlichen Veranstaltung wollten wir ein Forum bieten, den Kreis 1 betreffende Themen zu diskutieren.

In Verkehrsfragen besteht ein latenter Konflikt zwischen Anwohnerinnen und Anwohnern, die eine verkehrsarme Innenstadt wünschen, und dem Gewerbe, das auf Zufahrtsmöglichkeiten pocht. Wie beurteilen Sie die
Situation?


Marion Schmid (SP) (Die Erstbeantwortung der Fragen wurde ausgelost.): Da besteht ein Zielkonflikt, doch gibt es heute ein gutes Miteinander. Wichtig ist es, aufeinander zuzugehen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Guy Krayenbühl (GLP): Die Altstadt ist halt engräumig, aber grundsätzlich ist es schon ein privilegiertes Quartier, verglichen mit anderen.

Gabi Kisker (Grüne): Das Gewerbe trifft es hart. Der Masterplan Velo soll Abhilfe schaffen für die Velo Fahrenden. Für das Gewerbe ist es schwierig. Monteure sollten die Möglichkeit haben, temporär zu parkieren. Betreffend Schulwegsicherheit hilft die Einführung von Tempo 30.

Edi Guggenheim (AL): Es scheint Sonderrechte zu geben für grosse, schwere Autos, die in der Storchengasse und im Bereich Paradeplatz verkehren, da gibt es Schleichwege, die man unterbinden sollte.

Felix Stocker (SP): In der Altstadt gibt es einen breiten Konsens: Gewerbeverkehr wird akzeptiert, PWs nicht. Es müssen keine Ferraris in der Fussgängerzone herumstehen.

Gabi Kisker: Eine koordinierte Anlieferung wäre gut, das gäbe eine Entlastung.

Luca Maggi (Grüne): Die Velos gehen vergessen. Wir von den Jungen Grünen wollen ein flächendeckendes Velonetz.


Vor einiger Zeit präsentierte der Stadtrat sein Tiefbauprojekt, das einen Spurabbau in der Sihl- und Gegenverkehr in der Uraniastrasse vorsieht. Eine sinnvolle Massnahme?

Michael Schmid (FDP): Ich bin da sehr skeptisch. Das ist nur ein Mikroblick statt im grossen Zusammenhang Stadt und Region. Wir sind halt im Zentrum und das wird in verschiedenen Richtungen durchquert. Die gesamtheitliche Betrachtung fehlt. Grüne haben den Fokus aufs Velo. Das führt in die Sackgasse.

Luca Maggi: Das sind Floskeln. Es gibt keine Velowege übers Central oder übers Bellevue.

Michael Schmid: Eine Lösung wie am Central vorgeschlagen, einen Velosack, soll das etwa der Durchbruch sein?

Luca Maggi: Velofahren ist Sommer und Winter total im Trend. Dem muss man Rechnung tragen.

Michael Schmid: Die Verteilung des Veloverkehrs von Schön- versus Schlechtwetter und von Sommer zu Winter ist etwa ein Faktor vier!

Gabi Kisker: Ich finde, der Spurabbau macht Sinn. Fussgängerzonen sind gut und haben sich als attraktiv auch für Geschäfte erwiesen.

Guy Krayenbühl: Ich finde es ein schönes Projekt. Das Limmatquai dagegen ist Horror. Die Fussgänger sollten am Fluss gehen können. – Beim St. Annahof gibt es dann halt ab und zu eine Anlieferung.

Edi Guggenheim: Im Winter hat es weniger Velos, wobei es dann umso schöner ist, weil man mehr Platz hat zum Velofahren. – Zur Uraniastrasse: Da wurde ein Laden teuer umgebaut, vor vier Jahren; er ist eingegangen. Für das Gewerbe wäre die Aufhebung der Spur gut, das Gewerbe sollte mehr Parkplätze bekommen.

Samuel Dubno (GLP): Es ist ein sinnvolles Projekt. Der Verkehr zwängt sich hier durch für nichts, ohne Nutzen.

Für das Parkhaus Opéra werden an der Talstrasse Parkplätze aufgehoben – in einer Distanz von 1,1 bis 1,5 Kilometer. Ihre Meinung?

Edi Guggenheim: So will es der Historische Parkplatzkompromiss. Etwa an der Waffenplatzstrasse hat es immer Stau. Da nimmt man ohnehin besser das Velo. Ich finde den Weg zumutbar. Es ist nicht zwingend, dass man dort parkieren muss.

Gabi Kisker: Das ist so eine Rochade. Es gibt zu viele unterirdische Parkplätze und viele private Parkplätze kommen noch dazu. Eigentlich sollte man den Historischen Parkplatzkompromiss aufheben.

Michael Schmid: Diese Distanz ist zu gross. Da geht Wertschöpfung des lokalen Gewerbes verloren. Gemäss einer Studie des Tiefbauamts von Stadträtin Ruth Genner bringt ein oberirdischer Parkplatz hier etwa 300 000 Franken, etwa doppelt so viel wie ein Parkplatz in einem Parkhaus. Das muss zu denken geben.

Samuel Dubno: Wir müssen am Historischen Parkplatzkompromiss festhalten. Diese Rochade ist korrekt. Es gibt eher einen Parkplatzüberhang heute. Der Kompromiss hat gut funktioniert.


Der Zähringer-/Predigerplatz ist einer der letzten grossen oberirdischen Parkplätze in Zürichs Innenstadt. In der Schublade der Dienstabteilung Verkehr liegen Pläne, diese aufzuheben, sobald ein unterirdischer Ersatz da ist. Was halten Sie davon?
Gabi Kisker: Die Geschichte ist die, dass versprochen wurde, diese Plätze ins Parkhaus Urania zu verlegen, was nicht erfolgt ist. Das ist schade, denn wir haben wenig öffentliche Räume. Es ist ein sehr schöner Platz, und es ist schade, ihn als Parkplatz zu nutzen.

Luca Maggi: Der Platz würde von hunderten von Menschen, die in der Zentralbibliothek arbeiten, genutzt, was heute nur beschränkt möglich ist.

Anton E. Monn (AHS): Das wäre eine optimale Aufwertung und zu begrüssen.


Die liberalisierte Gastwirtschaftsverordnung ist für die einen ein Segen (Stichwort «kulinarische Diversität»), für die anderen ein Fluch (Stichwort Lärm). In der Altstadt ist dieses Spannungsfeld besonders gross. Besteht politischer Handlungsbedarf, um die Wohnbevölkerung der Altstadt zu schützen?

Felix Stocker: Da gibt es einen Interessenskonflikt wie bei der ersten Frage. Es braucht Regeln, die konsequenter umgesetzt werden. Zum Beispiel: Bis um 24 oder bis um 1 Uhr muss Ruhe sein.

Guy Krayenbühl: Wir sind hier im Zentrum der Stadt, da hat es halt viele Leute. Wenn man sich beklagen will wegen dem Lärm, soll man halt nach Küsnacht wohnen gehen, aufs Land. Es braucht Toleranz! Wenn es allzu ruhig ist, wird die Altstadt zu teuer, um da noch wohnen zu können. Das ist die Qualität der Altstadt, dass es gemischt ist. Sonst ist man am falschen Ort, wenn man diese Toleranz nicht aufbringt.

Claudio Zihlmann (FDP): Ich verstehe die Bewohner. Die Leute kommen von aussen und machen Lärm. Die Stadt soll mehr aufmerksam machen auf die Problematik. Aber es hat halt viele Leute, es ist ein Geben und Nehmen.

Marion Schmid: Ich wohne am Rindermarkt, gegenüber des «Oliver Twist»… Wer nur seine Ruhe haben will, soll nicht in der Altstadt wohnen. Aber zu Unzeiten, etwa um halb 3 Uhr nachts, soll man Regeln durchsetzen. Man soll sich bewusst sein: Es gibt Lärm, aber es ist kein Vergnügungspark. Die Plakatkampagne (von Quartierverein und Stadt, Red.) war eine gute Sache.

Michael Schmid: Es braucht gegenseitigen Respekt. Es sind die zwei Seiten der Medaille: Respekt und Toleranz.

Edi Guggenheim: Der Nachtlärm ist ein Problem, aber auch diese Rollkoffer der Hotelgäste auf dem Pflaster. Oder Besichtigungsflüge mit Helikoptern an Sommertagen.

Samuel Dubno: Ich habe am Neumarkt 23 gewohnt, da hört man so das Rauschen des Seilergrabens. Aber da gab es Leute, die haben um 2 Uhr nachts Container herumgeschoben. Respekt und Anstand sind schwierig durch die Politik beizubringen. – Neben der liberalisierten Verordnung hat übrigens auch das Rauchverbot die Leute auf die Gasse getrieben.

Gabi Kisker: Die Lärmgruppe (Arbeitsgruppe Lärm des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat, Red.) erreicht viel, das ist erfreulich. Schwieriger sind Grossanlässe, angefangen mit der Euro 08 und seither zunehmend. Das betrifft die Kreise 1 und 2, mit dem Seebecken.


Im Rahmen der neuen Polizeiverordnung kann die Polizei bei Lärmübertretungen nur noch vorgehen, wenn eine Anzeige vorliegt. Ist das richtig?

Anton E. Monn: Das ist nicht richtig. Wenn man sich gestört fühlt, sollte man einfach telefonieren können.

Samuel Dubno: Ich war eingeladen, als Gemeinderat mit einer Polizeistreife mitzufahren. Da kam ein Anruf einer Person, die sich über Lärm im Nachbarhaus beschwerte. Die Polizei rückt nur aus, wenn eine Anzeige vorliegt. Im konkreten Fall war das ein junger Mensch, der wohl seinen Geburtstag feierte, vor der Wohnungstür waren säuberlich die ausgezogenen Schuhe der Gäste… Armer Junge… Da hat man über das Ziel hinausgeschossen, dass es hier eine Anzeige braucht, um kurz intervenieren zu können.

Luca Maggi: Man soll halt einfach nicht der Polizei telefonieren. Lärm ist nicht so schlimm, da kann man auch mal ein Auge zudrücken und eine Nacht nicht so gut schlafen.

Gabi Kisker: Ich finde, die Verordnung geht hier zu weit.

Guy Krayenbühl: Es ist wie ein Antragsdelikt. Wenn ein Rückzug möglich ist, finde ich das nicht schlecht. Besser wäre es, wenn die Polizei von sich aus handeln könnte.

Anton E. Monn: Das finde ich auch.

Marion Schmid: Mitten in der Nacht, wenn ich im Pyjama bin, wäre ich froh, wenn die Polizei von sich aus nachsehen könnte.

Claudio Zihlmann: (An Luca Maggi gerichtet.) Ich bin auch jung und ich finde, es gibt genügend Möglichkeiten, sich auszuleben in der Stadt.

Guy Krayenbühl: Es gehört zu den Polizeiaufgaben, für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Michael Schmid: Man sollte hier auch nicht zu viel reininterpretieren. Auch früher war nicht überall Polizei unterwegs. Die Polizei ist gefordert, einen Weg zu finden.


Nach Einführung der neuen Prostitutionsgewerbeverordnung ist das Niederdorf neben Depotweg und Allmendstrasse die letzte Zone, in welcher der Strassenstrich erlaubt ist. Hotspot ist die Häringstrasse/Zähringerstrasse. Besteht Handlungsbedarf?

Samuel Dubno: Hier wurde ja bereits ein Nachtfahrverbot eingeführt. Zudem sollen die Anschaffungszeiten reduziert werden auf 22 bis 2 Uhr. Das ist allerdings durch einen Rekurs blockiert. – Es braucht Augenmass und Toleranz. Prostitution hat es immer gegeben, verteilt über das Niederdorf, heute ist es einfach konzentrierter. Das hat Vor- und Nachteile. Im Sommer besteht allerdings schon Handlungsbedarf.

Gabi Kisker: Das kann man steuern über den Wohnanteil, ab fünfzig Prozent ist das Sexgewerbe nicht mehr zugelassen. – Aber wohin denn auslagern, in die Sexboxen? Prostitution ist ein Teil der Gesellschaft, da braucht es eine gewisse Toleranz.

Felix Stocker: Prostitution soll erlaubt sein im Niederdorf statt verdrängt zu werden. Die zentrale Lage bietet einen gewissen Schutz für die Prostituierten. Es braucht klare Regeln.

Michael Schmid: Zustände wie vor zwei, drei Jahren sind nicht akzeptabel. Die zeitliche Beschränkung ist ein gutes Mittel.

Samuel Dubno: Es ist die Frage, wie sich das Gewerbe verändert mit der Prostitutionsgewerbeverordnung. Ich habe Angst, dass der Gemeinderat übers Ziel hinausgeschossen hat, dass man den Strassenstrich überregulieren will. Kann Kontrolle und Schutz noch stattfinden?


Die Mietzinse in der Innenstadt explodieren in jüngster Zeit. Das hat dramatischen Einfluss auf den Geschäftemix und bedrängt den Kreis 1 als Wohnquartier. Sehen Sie politischen Handlungsbedarf? Und wenn ja, in welchem Rahmen?

Luca Maggi: Ja, ich sehe einen Handlungsbedarf. Wir haben selber in der Familie einen Laden gehabt. Es soll nicht nur noch Ketten und Grossverteiler geben. Die Stadt muss etwas machen.

Guy Krayenbühl: Die Stadt hat viele Liegenschaften und ist zum Teil auch nicht unbescheiden bei den Mieten. Die schlagen selber auch auf.

Marion Schmid: Politisch Gegensteuer zu geben liegt im Interesse einer lebendigen Stadt, sonst sieht bald jede Stadt mit überall den gleichen Läden gleich aus. Es gilt, das lokale und kleine Gewerbe zu erhalten.

Gabi Kisker: Läden gibt es ja. Wir müssen sie mit unserem Konsumverhalten unterstützen. Die Bahnhofstrasse verödet seit Jahren. Was tun? Boden entziehen? Läden an der Wühre bezahlen umsatzabhängige Mieten, da handelt die Stadt verantwortungsbewusst. Wir müssen die Läden unterstützen.

Felix Stocker: Man muss etwas gegen die Spekulation unternehmen. Wie mit der kantonalen Initiative der SP. Gebiete festlegen, in denen Kostenmiete verlangt wird.

Guy Krayenbühl: Es gibt immer noch faire Vermieter. An der Bahnhofstrasse, da sind es vor allem Pensionskassen, die Liegenschaften besitzen und das Maximum herausholen wollen. – Es braucht einen guten Mix.

Anton E. Monn: In der Altstadt besteht noch ein attraktiver Mix. Es gibt aber eine Tendenz, dass Läden, die Freude machen, eingehen. Zuletzt haben wir eine Monokultur, nur noch Kleiderläden. Viele Buchhandlungen sind eingegangen, leider.

Samuel Dubno: Buchhandlungen am Limmatquai sind eingegangen, weil wir weniger lesen und die Bücher über Amazon beziehen. Und Billigschuhe brauchen keinen Schuhmacher mehr.

Gabi Kisker: Als eine Gegenbewegung sehe ich etwa den Markt auf der Gemüsebrücke. Einen Markt auf dem Münsterhof sehe ich ambivalent. Der Entwicklung der Bahnhofstrasse können wir nicht entgegenwirken. – Ich bin gespannt, was passiert, falls Trudi Götz mit all ihren Läden einmal weg wäre…


Die Zahl von Zweitwohnungen, die nur selten genutzt sind, wächst in der Innenstadt. Sehen Sie hier einen Spielraum, die Entwicklung auf der politischen Ebene zu steuern?

Guy Krayenbühl: Es ist tragisch, was alles leer ist und zu welchen Preisen vermietet wird. Wenn es lebendig ist und etwas läuft, gibt es keine Probleme. Dann steigen die Mieten auch nicht so hoch. Ich bin vor dreissig Jahren am Hirschengraben zur Schule gegangen, damals war das noch anders.

Gabi Kisker: Zürich kommt nicht über zwanzig Prozent Zweitwohnungsbestand. In der Innenstadt gibt es zum Glück viele Wohnungen in städtischen Liegenschaften, die zur Kostenmiete vermietet werden, also zahlbar sind.

Guy Krayenbühl: Was soll man tun, enteignen etwa?

Gabi Kisker: Man kann das steuern mit der BZO.

Samuel Dubno: Es ist eine Frage der Anspruchshaltung. Was für Mittel gibt es?

Gabi Kisker: Zweitwohnungen können auch Hotels und Untermietverhältnisse sein.

Michael Schmid: Wir leben in einer freien Gesellschaft. Wenn jede Nutzung vorgeschrieben werden soll, haben wir ein sozialistisches System, wie in Pjöngjang.

Gabi Kisker: Kommt nun das, nach Russland?

Edi Guggenheim: Wenn wir nicht Einfluss genommen hätten, hätten wir hier längst ein Disneyland. Heute gibt es glücklicherweise viele Gewerbebetriebe und Lebensmittelläden in städtischen Liegenschaften. Wenn rein gewinnorientiert vermietet würde…

Michael Schmid: Ich habe nichts gegen die städtische Wohnungspolitik. Es gibt bei dieser Frage einfach keine Patentrezepte.

Anton E. Monn: Es riecht nach «der Markt regelt alles». Doch man musste einen Wohnanteilplan machen, die Stadt muss eingreifen und regulieren.


Zürichs Zentrum hat einige Grossbaustellen hinter resp. vor sich: Umbau und Erweiterung Obergericht, Kunsthauserweiterung, Erweiterung Landesmuseum. Erträgt die Altstadt solche Grossprojekte? Oder anders gefragt: welches sind in Ihren Augen die städtebaulichen Perspektiven der Altstadt?

David Garcia (AL): Obergericht und Kunsthaus sollen im Zentrum sein. Das Universitätsspital kommt noch auf uns zu, das liegt zwar nicht mehr im Kreis 1. Wenn wir eine 2000-Watt-Gesellschaft wollen, müssen wir mit der Verdichtung anfangen. Das muss man bei Renovationen anschauen. Der Heimatschutz kommt in die finanzielle Bredouille, wenn alles aufrechterhalten werden soll.

Felix Stocker: Grossprojekte wie Obergericht oder Kunsthaus sollen unter Einbezug der Bevölkerung realisiert werden. Man hatte beim Obergericht keine Rekursmöglichkeiten.

Gabi Kisker: Das Obergericht hätte auch im Seefeld bleiben können. Es ist ja schon wieder zu klein. Schwierig bei Grossbaustellen wie beim Leuenplätzli sind auch die Baustelleninstallationen, für die Bäume gefällt werden sollen. Hier ist ein anderes Bewilligungsverfahren gefordert…

Samuel Dubno: Vorläufig soll es hier keine Grossprojekte mehr geben. Das Kongresshaus wurde abgelehnt. – Die Stadt ist nirgends dichter als in der Altstadt. Verdichtet werden soll eher anderswo. An der Denkmalpflege muss man festhalten. Das Globusprovisorium, da könnte man vielleicht noch…

Edi Guggenheim: Das ist der letzte grosse Bau in der Limmat. Immer wenn etwas in der Limmat abgerissen wurde, hat man etwas verloren. Das Globus-Provisorium ist wie ein Schiff in der Limmat, das soll man nicht abbrechen. Wenn man die Gemüsebrücke ersetzen muss…

Gabi Kisker: Das ist ein wichtiger Platz in der Altstadt, der darf nicht verloren gehen.

Anton E. Monn: Muss denn alles in der Innenstadt sein? Es gibt den Masterplan Hochschulplanung. Wenn die ETH Hönggerberg auch noch hier wäre, man muss sich das einmal vorstellen. Etwa bei der Erweiterung der Zentralbibliothek: Der schöne alte Lesesaal, die alten Häuser, einfach weg. Bei der Hochschulplanung passieren städtebaulich wichtige Dinge.

David Garcia: Unispital plus Uni plus ETH: das soll da bleiben, hat es geheissen. Und das hat sich krebsartig in die Wohnstruktur der Kreise 1, 7 und 8 infiltriert. – Man kann die medizinische Versorgung rausnehmen aus der Innenstadt, und das sage ich als Arzt.

Michael Schmid: Unispital und Kanton und Stadt: alle wollen das Unispital am Standort belassen.

David Garcia: Das geht nur, wenn es keine Rekurse gibt, da hat es noch ein paar Dutzend geschützter Bauten…


Politik heisst auch, in die Zukunft zu blicken. Wie sieht die Altstadt im Jahr 2030 aus? Erzählen Sie Ihre schlechte und Ihre gute Vision.

Claudio Zihlmann: Positiv wäre es, wenn zwischen Velo- und Autoverkehr und Fussgängern ein Miteinander geschaffen wäre, das wäre eine schöne Lösung. Das Gegenteil wäre, wenn das Velo erwünscht wäre, aber die Autos vergessen gehen.

Luca Maggi: Ein aktives Stadtleben mit Kultur, das sich breite Bevölkerungsschichten leisten können. Negativ wäre: Keine Bars, nur noch Zweitwohnungen und Büros.

David Garcia: Alle Schichten sollen hier leben können. Negativ wäre eine Betonwüste.

Guy Krayenbühl: Es soll so bleiben, wie es ist. Eine gewisse Verkehrsberuhigung vielleicht noch. Negativ wäre: Nur noch grosse Geschäfte und teure Wohnungen. Gentrifizierung, wie man das in Genf oder Fribourg sehen kann.

Gabi Kisker: Die lebendige Altstadt bleibt erhalten. Eine Stadt der kurzen Wege, gute Quartierversorgung, auch für andere Quartiere. Nichts Negatives.

Anton E. Monn: Negativ wäre: in der ganzen Stadt immer ähnlichere Läden und Leute, Luxusleute. Positiv wäre ein Nebeneinander, gemischt, lebendig, sich gegenseitig befruchtend.

Felix Stocker: Negativ wäre eine Entwicklung in Richtung tote Altstadt, homogen, hohe Mieten. Die Liegenschaften der Stadt sollen beibehalten werden und man muss nach weiteren Möglichkeiten sehen, die lebendige Altstadt zu erhalten.

Gabi Kisker: Doch noch ein «Worst Case»: Die Stadt hat die Finanzen nicht im Griff und muss ihre Liegenschaften verkaufen.

Samuel Dubno: Positive Vision: Die Kinder sind ausgezogen, wir wohnen wieder am Neumarkt und Bianchi (Comestibles) und Müdespacher (Käseladen) sind wieder da.

Michael Schmid: Es ist die zentrale Frage, ob wir es schaffen, mit unseren finanziellen Mitteln den Rank zu finden. Zu hohe Ansprüche werden wir künftig nicht mehr erfüllen können.

Marion Schmid: Positiv wäre eine Altstadt für alle, die hier wohnen, Gewerbe treiben oder in den Ausgang gehen: ein Nebeneinander. Wir müssen Prioritäten setzen. Die Altstadt ist ein Bijou in der Stadt. Dem müssen wir Sorge tragen und investieren.

Elmar Melliger

Die Gesprächsrunde
An der Gesprächsrunde vom 10. Dezember nahmen teil: Marion Schmid (SP), Felix Stocker (SP), Michael Schmid (FDP), Claudio Zihlmann (FDP), Gabi Kisker (Grüne), Luca Maggi (Grüne), Samuel Dubno (GLP), Guy Krayenbühl (GLP), Edi Guggenheim (AL), David Garcia (AL), Anton E. Monn (AHS). Die Fragen stellte Michael Schädelin.
Von SVP, CVP, EVP, SD, BDP, EDU konnte leider niemand teilnehmen.