Das Academy bleibt geschlossen

Kurz vor Weihnachten wurden im Kino Academy am Hirschenplatz zum letzten Mal Filme projiziert. Das Ende eines weiteren traditionsreichen Kinos in der Innenstadt ist Tatsache geworden.

In den letzten Jahren hiess das Kino Academy. Nicht, dass es unter dem vorherigen Namen Wellenberg nicht gefunden worden wäre. Am Hirschenplatz, mitten in der Altstadt gelegen, war es bestimmt an einer guten Adresse. Umgeben von einem vielfältigen gastronomischen Angebot für die Stärkung vor oder nach dem Filmvergnügen, war es prädestiniert dafür, in die Planung des Ausgangs einbezogen zu werden.
Doch auf dem Kinomagnet, der Publikation des Filmangebots in Zeitungen und auf Plakaten, figurierte es halt erst weit hinten. Die Umbenennung katapultierte das Kino an den Anfang des Alphabets, womit es wohl noch etwas häufiger berücksichtigt worden sein dürfte. Dass die sieben Kinos der Movie-Gruppe kurz darauf die Bezeichnung Arthouse vorangestellt bekamen, was ihnen einen starken gemeinsamen Auftritt weit vorn im Alphabet verschaffte, mag die Verantwortlichen der Kino-Theater AG (Kitag), zu der das Wellenberg resp. Academy gehörte, geärgert haben. Als die Kitag dann vor einem Jahr die Kinos Capitol (sechs Säle) und Cinemax (zwölf Säle) von Erwin C. Dietrich übernehmen konnte, doppelte sie nach und taufte das Cinemax um in Abaton. Wohl weniger die Andeutung des Sakralen, des modernen Ritus des Kinobesuchs stand für die Namensgebung im Vordergrund als vielmehr Abaton wie A, wie Am-Anfang-Stehen.

Konkurrenz auch von aussen
Diese ABC-Rangelei steht sinnbildlich für den harten Konkurrenzkampf, in dem sich die Kinobranche befindet. Früher befanden sich fast alle Kinos in der Innenstadt, im Kreis 1. Einige Lichtspieltheater gab es in den Aussenquartieren, wie auch jedes Dorf ein Kino hatte. Heute ist nach wie vor ein grosser Teil der Kinos im Kreis 1, doch haben fast alle mehr als einen Saal und gehören entweder zur Kitag oder zu der kleineren Arthouse-Gruppe, die hauptsächlich Studiofilme, also Filme mit einem gewissen künstlerischen Anspruch, zeigt. – Ausserhalb der Stadtgrenzen ist mit dem Pathé in Dietlikon mit zehn Sälen eine neue Konkurrenz erwachsen, und in wenigen Wochen werden in der Überbauung Sihlcity neun weitere Säle eröffnet.

Hohe Mieten
Diese sich verschärfende Situation mag mit eine Rolle gespielt haben, dass die durch die Übernahme der Kinos Capitol und Cinemax um achtzehn Säle gewachsene Kitag im vergangenen Jahr die Kinos Frosch und Academy in der Altstadt hat schliessen wollen. Hier wurden auch die Mietzinse in die Waagschale geworfen.
Schliesslich konnte für das Kino Frosch nach Verhandlungen mit dem Hauseigentümer Schäppi Grundstücke – nicht zuletzt dank der Intervention des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat beim Hauseigentümer – eine Lösung gefunden werden. Das Weiterbestehen des Kinos Frosch ist einstweilen gesichert.
Nichts gefruchtet haben dagegen Verhandlungen mit der Hauseigentümerin des Kinos Academy. Zu weit auseinander lagen die Mietzinsvorstellungen. Auch das städtische Filmpodium hat sich für das Academy als Ausweichspielort während Umbauarbeiten an der Nüschelerstrasse interessiert und hat das Vorhaben aufgegeben.
Weshalb nun also ein weiteres Kino aus der Landschaft verschwindet. Gleich ergangen ist es dem Kino Bellevue, das wegen des Umbaus der Liegenschaft am Bellevue ausziehen musste. Das Mietzinsniveau nach dem Umbau sprengt den Rahmen der Möglichkeiten eines Kinos. Die seit Jahrzehnten dort gespielten Kinderfilme werden nun im ABC gezeigt. Und die dort bislang gebotenen Filme findet man vermehrt im Kino Abaton am Escher-Wyss-Platz. Allerdings, welch unselige Entwicklung, vermehrt in synchronisierter Version, als ob das dortige Publikum weniger sprachgewandt wäre. Wo heute doch gerade die Jugendlichen Englisch sprechen wie keine Generation zuvor und die Filme ja untertitelt sind.

Harte Geschäftswelt
Das Academy war ein Kino, für das in den vergangenen Jahren vorwiegend Filme aus den Genres Action und Horror programmiert wurden, was ja nicht jedermanns Geschmack trifft, wohl aber den eines jungen Publikums, das auch sonst gern das Niederdorf frequentiert. Es war ein Kino mit rühmlicher Vergangenheit. Hier, im Wellenberg, hat der damalige Patron – dem auch das legendäre Apollo Cinérama am Stauffacher gehörte – Filmpremieren als glamouröse gesellschaftliche Anlässe mit internationalen Filmgrössen veranstaltet. Regisseure und Stars kamen von weit her angereist, wenn Anton Eric Scotoni zur Premiere lud. Das ist Jahrzehnte her. Noch immer gehört die Liegenschaft, in der auch das Viersternhotel Wellenberg ist, zu seiner Immobilienunternehmung. Man hätte sich hier ein gewisses Entgegenkommen wünschen mögen. Doch anscheinend hatte die Liebe zum Kino in der harten Geschäftswelt (ähnlich wie damals beim Apollo) keinen entscheidenden Einfluss.
Am Mittwoch, 20. Dezember, wurde das Licht zum letzten Mal für die Projektion eines Films zurückgefahren, im Academy. Nach dem Abspann ging das Saallicht zum letzten Mal an, seither sind die Räume in dieser Ecke des Hirschenplatzes dunkel und verlassen geblieben. «Das Academy bleibt geschlossen», verkündet schlicht ein Anschlag an der Tür. Was hier wohl demnächst stattfinden wird? Eine Erweiterung des Hotels? Der Umbau in ein Restaurant, in ein Ladengeschäft? Kleider, Schuhe? Bis Redaktionsschluss waren keine Pläne für die weitere Nutzung der Räumlichkeiten bekannt.

Elmar Melliger