Wie viel Obergericht erträgt die Altstadt?

Der Kanton plant für 80 Millionen Franken das bestehende Obergericht um-, aus- und neuzubauen. Ins Konglomerat des einstigen Barfüsserklosters soll eine so dichte Packung gepresst werden, dass sich die Altstadtbewohnerin fragt: Ist das nötig, wenn ja, ist das nur hier zu verwirklichen? Der Kanton hat Bringschulden an Information.

Die Franziskanermönche fanden ihren Platz am Rand. Da, wo zwischen den Häusern und der Stadtmauer noch Gartenland war, durften sie hin und ihr Kloster bauen. Wer heute mit offenen Augen ums Obergericht herum geht, merkt den Wechsel im Stadtmuster: die engbrüstig aufgereihten Bürgerhäuser an der Unteren Zäune und an der Obmannamtsgasse, im Gegensatz zu den grossen, freistehenden Gebäuden des heutigen Obergerichts. Ein Konglomerat von grossen Gebäuden ist nach der Reformation schrittweise aus dem Kloster entstanden. Die Kirche hatte als letzten Beruf den eines Theaters und ist im 19. Jahrhundert abgebrannt. Heute ist daraus der Parkplatz an der Unteren Zäune geworden, auch eine Karriere. Die Stadtmauer ist als der geschwungene Boulevard des Hirschengrabens noch spürbar, zusammenfassend: historischer Boden.

Schwierige Aufgabe
Für den Betrieb des Obergerichts des Kantons Zürich «bietet das ehemalige Barfüsserkloster keine befriedigenden Bedingungen mehr», schreibt die Baudirektion in ihrer Projektdokumentation vom Mai 2007. Darum müsse umgebaut werden. Damit kann «der Betrieb optimiert, Organisationsabläufe vereinfacht und verbessert werden». Wer wird dem nicht zustimmen?
Im April 2005 wurde ein Architekturwettbewerb entschieden, den felber widmer kim architekten ag aus Aarau gewannen. Sie lösten die nicht zu lösende Aufgabe, indem sie alles stehen liessen, was möglich war und niemandem etwas wegnahmen. Im Klartext heisst das: sie ergänzten das bestehende Konglomerat mit einem Winkelbau, den einen Schenkel längs der Obmannamtsgasse, den andern am Parkplatz an der Unteren Zäune. In diesen neuen Baukörper packen die Architekten alles, was neu und sicher sein muss. Es ist ein Projekt der organisatorischen Vernunft, kombiniert mit Bilderhaltung und formalem Tiefstapeln. Ein der Lage angemessenes Verfahren. Die Denkmalpflege nickt, da kein Gebäude abgerissen wird und der ehemalige Kreuzgang erhalten bleibt, die Autofahrer freuen sich, da sie den Parkplatz nicht verlieren, die Richter und ihre Mitarbeiter atmen auf, da sie bleiben dürfen, wo sie sind.

Eine dichte Packung
Doch die dichte Packung täuscht. Die Eingriffe sind erheblich und die Neubauten beachtlich. Das Hochbauamt hats vorgerechnet: 79,4 Millionen Franken kostet das Projekt. Im Jahr 2011 oder 2013 soll es fertig sein. Woher die Differenz? Weil das Hochbauamt zwei Vorgehen zur Diskussion stellt: Entweder Fremdmiete, das heisst während dem Umbau an die Klausstrasse 4 zügeln, oder eine etappenweise Realisierung, genannt Betriebsaufrechterhaltung. Zügeln kostet 3,7 Millionen mehr, ist aber für den Gerichtsbetrieb besser. Dann steht zu den Vorteilen des Zügelns in der Projektdokumentation noch ein bemerkenswerter Satz: «Eine kürzere Bauphase hat einen nicht zu unterschätzenden positiven Einfluss auf die quartierinterne Haltung gegenüber dem Projekt und auf das Wohlwollen der direkten Anwohner.»

Keine Sachzwänge bitte!
Die nämlich sind nicht erfreut und stellen sich einige Fragen. Immer fängt es auf der obersten Ebene an: Ist der Um- und Neubau notwendig? Wenn ja, wie viel Neubau braucht das Gericht? Ist nicht die Baumasse zu gross für das Grundstück? Würgen ist teuer. Wären die 80 Millionen Franken woanders nicht zielgerichteter eingesetzt? Kurz, ist es wahr, richtig und unausweichlich, dass das Obergericht im verschachtelten Konglomerat des Barfüsserklosters bleiben muss? Muss am Ende am Hirschengraben teuer umgebaut werden, damit die Richter und die Ihren ihre bequemen Gewohnheiten weiterführen können?
Der Kanton tut gut daran, den Altstadtbewohnern überzeugend darzulegen, wie notwendig das Projekt ist und dass es nur hier und nirgendwo anders geht. Sind Alternativen überhaupt geprüft worden? Ist ein Gericht in Zürich West oder Neu-Oerlikon unvorstellbar? Hat das Obergericht im neuen Justizzentrum am Güterbahnhof keinen Platz? Es wartet dort noch eine zweite Etappe auf die Realisierung. Kurz, an der Informationsversammlung vom 28. Januar erwarten die Altstadtbewohner mehr als das Vorbeten von Sachzwängen.

Benedikt Loderer

Infoveranstaltung Obergericht
Zum geplanten Um- und Erweiterungsbau des Obergerichts findet eine Informationsveranstaltung für die Bevölkerung statt. Und zwar am Montag, 28. Januar, um 18 Uhr. Im Obergericht, Eingang Hirschengraben 13, im grossen Gerichtssaal.

Es informieren: Rainer Klopfer, Präsident des Obergerichts, Stefan Bitterli, Kantonsbaumeister, sowie ein Vertreter der Stadt.

Anschliessend Gelegenheit für Fragen. Darauf wird ein Apéro offeriert. Alle Interessierten sind zu dieser Veranstaltung herzlich eingeladen.
AK