Zum Trinken, Heilen und Lachen

Der Herkules-, der Stüssi- und der Augustinerbrunnen aus dem 16. Jahrhundert gehören zur alten Garde der Zürcher Brunnen und eignen sich für mancherlei.

Die Mehrheit der Zürcher Bevölkerung im 16. Jahrhundert nutzte das Brunnenwasser vor allem zum Trinken und dazu, die täglichen Speisen zu reinigen und zuzubereiten. Zur Pflege des Körpers hingegen reichte damals eine gelegentliche Katzenwäsche völlig aus, das Bad im Zuber war selten und meist Kranken und Schwachen vorbehalten, die dem ärztlichen Rat zu folgen hatten. Wams und Hos wurden nicht mit Brunnenwasser und schon gar nicht am Brunnen gewaschen, dazu waren die Waschhäuser da. Der Gang zum Brunnen war häufig und erfolgte mehrmals im Tag, man traf dabei auf andere Mägde, Knechte oder Handwerker, konnte sich unterhalten, Neuigkeiten austauschen und Beziehungen knüpfen.

Herkules vor dem Tore
Aber nicht nur die Privathaushalte, auch das Gewerbe wollte sauberes Wasser in der Nähe: die Gerber, die Glockengiesser, die Küfer oder die Kuttler. Oder die Fuhrleute zum Tränken ihrer Pferde. Das aber durften sie innerhalb der Stadttore nicht. So wurde denn auch der Vorgänger des Herkulesbrunnens, er stand damals ausserhalb des Rennwegtors, von den Fuhrleuten gerne zu diesem Zwecke benutzt. 1566 wird er erstmals geschichtlich erwähnt, seit 1885 steht er beim Übergang des Rennwegs in die Bahnhofstrasse. Die Brunnenfigur, klar identifiziert als Herkules, erhielt er vermutlich beim Bau des Trogs 1732, in der Klassik, als griechische Helden beliebte Sujets hergaben.
Ob die Figur des vermutlich 1575 errichteten Stüssibrunnens indes tatsächlich den einstigen Bürgermeister Rudolf Stüssi zeigt, der hier an der Hofstatt gewohnt hat, ist ungewiss. Für die Darstellung Stüssis spricht der Harnisch: einen so wallenden Federbusch durfte nur ein echter Ritter tragen, so wie Stüssi einer war. Die eigentümlich stolze Gestalt und die ausgeprägten Gesichtszüge lassen ebenfalls auf ein Porträt schliessen und nicht auf eine schematische Darstellung. Der Stüssibrunnen ist als einziger Zürcher Brunnen mehrfarbig und ging in die Weltliteratur ein: im «Grünen Heinrich» setzt ihm Gottfried Keller ein Denkmal.
Weder eine mythologische noch eine historische Figur ziert den Augustinerbrunnen am Münzplatz, sondern eine allegorische. Die weibliche Figur aus dem Jahr 1761 verkörpert eine Tugend, nach der das Volk hätte trachten sollen: nach Mässigkeit – einer Tugend, wie sie neben Vernunft, Grossmut und Gerechtigkeit von der Aufklärung hochgehalten wurde. Lange bevor der Augustinerbrunnen Zürich zur Mässigung aufrief, 1577, wurde sein Vorgänger als «Augustinersod» und Ziehbrunnen aktenkundig. Nach der Reformation wurde er gelegentlich auch «Brunnen bei der Münz» genannt; während den folgenden 250 Jahren war die Augustinerkirche Wohn- und Werkstätte des Münzmeisters.

Delfine mit tropfenden Nasen
Die Brunnen, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen, mögen die altehrwürdigsten sein. Weitherum berühmt aber wurde der Neptunbrunnen aus dem 18. Jahrhundert, und zwar aus einem anderen Grund. Die Regierung Zürichs, im Bestreben, endlich einen Brunnen zu haben, der die kulturelle Grösse Zürichs angemessen würdigt, liess sich vom berühmten Tiroler Bildhauer Friedrich Schäferle einen imposanten mehrstöckigen Brunnen errichten, wo sich zu Füssen Neptuns allerlei adrette Delfine, Nymphen und Seepferde tummelten. Überall sollte es nun zu Ehren des Meeresgottes nur so heraussprudeln und spritzen, aber die eigens vom Üetliberg gezogene Leitung brachte so wenig Wasser, dass es nur dazu reichte, die Nasen der Delfine und Seepferde zu befeuchten, «und es sah nicht anders aus, als ob alle diese Seepferde und Delfine den Schnupfen hätten». Mozart soll sich beim Besuch Salomon Gessners krummgelacht haben, und Wieland liess ihn in der «Geschichte der Abderiten» zum Brunnen Abderas werden, des antiken Schilda mit seinen Schildbürgern. 1811 wurde der verhinderte Prachtsbrunnen abgetragen, das Becken für die Renovation des Stüssibrunnens verwendet.

Verschollene Heilquelle
Und noch einen anderen berühmten Brunnen gibt es nicht mehr. Vielen Zürchern ist nicht bekannt, dass die Wasserkirche auf besonderem Grund steht. Es gab einst eine schwefelhaltige Quelle, die lange Zeit verschüttet und vergessen war, bis sie 1479 durch Fundamentarbeiten zufällig wieder freigelegt wurde. Ihr Wasser war von wundertätiger Heilkraft und wurde in einen Brunnen gefasst, der den Namen «heilige Brunn» trug. Er befand sich in der Gruft einer einfachen Kapelle, die auf der kleinen Limmatinsel erbaut wurde und an deren Stelle heute die Wasserkirche steht. Zur Zeit der Reformation war er einer der wenigen Gesundbrunnen der Schweiz. Im Jahr 1556 wurde er auf obrigkeitlichen Befehl zugemauert – und mit ihm versiegte auch der Strom Katholiken, die aus den umliegenden Landen zuhauf ins zwinglianische Zürich reisten und den Behörden ein Dorn im Auge waren.

Nadia Ghidoli

Quellen: «Gang durch Zürich», «Das Rennwegquartier», Walter Baumann. «Brunnenguide Altstadt», Wasserversorgung Zürich. «Die Geschichte der Abderiten», Christoph M. Wieland.