Im Herzen der Toscana

Zum 250. Jubiläum genossen unsere Kulinarier im «Toscano» an der Schmidgasse italienische Kochkunst.

Die Toscana mit ihren lebensfrohen Menschen, ihren lendenstarken Weinen und genialisch schlichten Gerichten findet sich nahe einer Ecke im Niederdorf, an der das Fleisch zwar auch von Schnürchen zusammengehalten wird, aber in aller Regel roh herbeitanzt.

Zum 250. Kulinarium gönnten wir uns meinen Lieblingswein: den Shárjs 2006 zu 78 Franken, eine Assemblage aus Chardonnay und Ribolla Gialla vom Friulaner Livio Felluga. Dieser Wein für Männer erfüllt alles, was Frauen angeblich an Männern schätzen: Er riecht sinnlich-herb nach Zitrone, ist gut gebaut, unverkrampft und im Abgang buttrig-bitter mit einem Schuss Bergamotte. «Für solche Spitzenweine muss man die richtigen Lieferanten finden», lobte Herr Keck (der Lieferant heisst Hofer). Er nahm sich einen weiteren Schluck zur Brust, und seine Augen begannen beinahe lüstern zu funkeln: «Wirklich aus-ge-zeich-net!»
So eingestimmt, konnte der Abend nicht mehr schiefgehen in diesem Haus, das seit 1987 im Besitz der Turicerstamm ist. Die AG mit einem Kapital von 2,35 Millionen Franken gehört den Altherren der Studentenverbindung Turicia.
Die Burschen und Fuxen treffen sich am Donnerstag um 19 Uhr zum Singen und Kneipen im oberen Stock («An den Boden, an den H**en, an den Nabel, an den Schnabel, saufen, sauft!»), ihre Frauen setzen sich am ersten Dienstag im Monat im «Toscano» zum gemeinsamen Mittagessen.
Geführt wird das Lokal, das einst «Turicer» hiess, seit dem Jahr 2000 von der Celem Gastro GmbH. Die Celem, das sind die Pächter, Cecilia und Eero Meili. Sie wohnen mit ihren zwei halbwüchsigen Jungs seit Jahren im Niederdorf und führen in San Vicenzo, Italien, sowie in Zürich 5 weitere Restaurants. Weil die Küche im Lokal an der Schmidgasse so klein ist, wird die frische Pasta im «Toscano» im Puls 5 am Turbinenplatz hergestellt und täglich herbeigeschafft.

Fahnen und Toscani
Debora, die fröhliche Seele, stellte uns die Vorspeisen hin: für mich dünn geschnittene rohe Artischöcklein an Olivenöl und mit Parmesanflocken, daneben eine Scheibe krosses warmes Knoblauchbrot (Fr. 18.–; ich hatte nichts mehr ob). Herr Keck erfreute sich an seinen bissfesten Artischocken und grünen Spargeln vom Grill, dem junges Gemüse (in Form von Spinat) beilag. Er fand die Vorspeise (Fr. 19.–) «zauberhaft…, einmal etwas Neues… also wirklich… sehr fein», bis ein weiterer Schluck Shárjs seinen Lobeskanon unterbrach und er die Gabel niederlegte.
Vor dem Fenster sammelten sich ein paar Leute. «Wir blicken gerade in die Zukunft: Rauchen im Freien», sagte ich und steckte mir eine Zigarette an, um die Knoblauchfahne zu dämpfen. «Mag sein», meinte Herr Keck und sah den Rauchern zu, «früher zog auch ich mich nochmals an, um kurz vor der Polizeistunde im Restaurant Toscani zu kaufen.»

Wie Figura zeigt
Debora brachte uns mit einem Lächeln die Hauptspeisen: Spaghetti al Bacio – mit einer Sauce aus Vesuvio-Tomaten, Knoblauch, Peperoncini und Parmesan (Fr. 22.–) für mich, Spaghetti al Guazetto – mit Seeteufel, Miesmuscheln, Scampi und Zucchini (Fr. 32.–) für Herrn Keck. Debora ist seit etwa einem halben Jahr im «Toscano».
Cecilia und sie hatten vor über 15 Jahren zur Reise durch Europa ausgeholt und Station in Zürich gemacht. Dort wohnte der Koch Eero Meili, den Cecilia in ihrem Restaurant in der Toscana kennengelernt hatte. Der Aufenthalt wurde lang und länger – und eines Tages bimmelten die Hochzeitsglocken.
Bei Herrn Keck stapelten sich die Muschelhälften. «Oh, da hat sich eine davongemacht», sagte er enttäuscht und zeigte auf die leere Schale. Dafür kuschelten in der nächsten gleich zwei. «Köstlich», murmelte Herr Keck, «ah, da ist etwas Steifes!» Es war ein Scampi, der sich unter den Spaghetti versteckt hielt. Meine Spaghetti waren tadellos.
Debora hatte uns zwei Flaschen Rotwein hingestellt. Einen Merlot und einen Cabernet/San Giovese, beide aus der Nähe von Sassicaia. «Was soll ich sagen? Es ist aus meinem Dorf. Eeros Vater macht ihn. Ich finde ihn…» Debora legte sich die Hand aufs Herz.
«Schön», sagte Herr Keck nach dem ersten Schluck, «sehr schön», nach dem zweiten. Beim Dessert gab er zunächst Forfait: frisch geschlagene, cremige Zabaglione mit einem Kügelchen Vanilleglace. Als sie aber auf dem Tisch stand, musste ich ihm das Glas Zabaglione fast gewaltsam entreissen, so eifrig tat er mit. Dann lehnte er sich satt zurück und ächzte: «Ein perfekter Abend!» Besah sich seinen Bauch und fügte an: «Wie Figura zeigt!»

René Ammann*


Ristorante «Toscano», Schmidgasse 3, 8001 Zürich.
Im Parterre 30, im 1. Stock 35 Plätze. Im Sommer 40 Plätze auf der Gasse. Tel. 044 261 54 50.
Offen Montag bis Freitag 11.30 bis 14.30 und 18 bis 24 Uhr, am Samstag 18 bis 24 Uhr. Sonntags geschlossen.
www.ristorante-toscano.ch.

*René Ammann und Peter Keck essen und trinken jeweils zu zweit, weil es geselliger ist. Einmal schreibt Herr Keck, dann wieder Herr Ammann.