Alumettes bei der Post

Alter Name, neue Leitung, neues Konzept: Unsere beiden Kulinarier waren in der renovierten «Old Fashion», der vermutlich ältesten Bar Zürichs.

«Dieses Lokal hiess früher anders», sagte Herr Keck und besah sich den frischen Schaum auf seinem Eichhof-Bier vom Fass (Fr. 5.50), «wenn mir bloss der Name einfiele… Das schöne Holztäfer sieht noch aus wie früher, aber da standen Fässer im Raum, ziemlich viele Fässer sogar.» – «Als Hocker oder als Tische?» – «Als Tische, runde.»
Heute sitzt man auf bequemem rotem Leder, die Tische sind viereckig, die schweren Stühle wurden im Rücken mit einem fetten Messing-Ring gepierct, das Lokal präsentiert sich hell, freundlich – und der Garten in den Kappelerhof ist für viele eine Entdeckung. Im Hof daneben, dem Zentralhof, liegen das «Strozzi» und die «Milchbar». Letztere backt im Keller frisches Brot, als einzige verbliebene Bäckerei im Kreis 1, wusste Herr Keck. (Was allerdings nicht ganz stimmt, denn da gibt es ja noch Vohdin an der Oberdorfstrasse…)

Bein und Wein
Katalin, die fröhliche Kellnerin in schwarzer Uniform und weisser Schürze, brachte Herrn Keck ein Markbein mit Toast (Fr. 12.–). Der längs halbierte Kalbsknochen sei zwar «ä luschtigi Voorschpiis», aber voll köstlichen Markes, schwärmte er, und als getoastete Scheiben Bürli und der Salzstreuer auf dem Tisch standen, war sein Genuss vollkommen. Sein Arzt lese das Kulinarium im Altstadt Kurier ebenfalls, meinte er, und würde sich möglicherweise wundern über die Cholesterinzufuhr seines Patienten, aber der, frohlockte Herr Keck, «nimmt die Pille».
Ich hatte auf die Vorspeise verzichtet, denn das Wienerschnitzel (Fr. 39.50) mit Kartoffelsalat macht auch ausgehungerte Gewichtheber satt. Farbe und Geschmack des Schnitzels waren goldrichtig, und der Patatisalat schmeckte vorzüglich. Herr Keck hatte mir das Rindstatar mit Pommes Alumettes von der Karte weggeschnappt (Fr. 36.–), worauf ich ihm die Hälfte der Zündhölzli-Pommes vor der Nase wegpickte.
Er trank Roten zu Fr. 7.50 der Dezi – einen Spanier mit langem Namen (Herencia Remondo La Montesa, B. Placios Remdondo, Rioja, España) und ebensolchem Abgang. Der Wein sei fein, meinte Herr Keck, und der Preis «in den Relationen». Ich bestellte wie üblich Weissen, den Saint-Saph vom Baur au Lac (Fr. 8.50 der Dezi), über den es auch nach einem halben Liter nur Gutes zu berichten gibt.

«Bederhof» und sieben Mulden
Geführt wird das Restaurant vom Ehepaar Erik und Andrea Haemmerli bzw. ihrer Pianeta Management AG mit einem Kapital von 200 000 Franken. Die Haemmerlis leiten seit 2005 den «Bederhof» im Kreis 2. Erik Haemmerli ist in Top-Betrieben ausgebildet worden, etwa dem «Chez Max» in Zollikon, Witschis «Rebe» oder Petermanns «Kunststuben». Vor ein paar Jahren drehte er zusammen mit seinem Bruder, dem Journalisten Thomas Haemmerli, den Film «Sieben Mulden und eine Leiche». Im «Old Fashion» sieht zudem Pascal Faes zum rechten, der aufgeschlossene Chef de Service.
Als wir nach dem gelungenen Abend auf die Fanmeile traten, schossen die Schweizer gegen die Türken 1:0. Sie sehen, die Euro war noch jung, und der Abend ebenso. Der Katzenjammer über das Aus der Schweizer Mannschaft folgte erst in der zweiten Halbzeit.
Ein paar Tage nach unserem Besuch im «Old Fashion» lag in meinem Briefkasten die Kopie einer Foto vom 18. Februar 1897. Esther Fuchs vom Baugeschichtlichen Archiv am Neumarkt hatte für Herrn Keck das Bild samt Legende für 20 Rappen kopiert: Fraumünsterstrasse 15, Wohnhaus, 1886 erbaut, Bodega. Herr Keck hatte einmal mehr recht. Auf dem Bild sieht man einen langen, wohlproportionierten Raum mit einer Kassettendecke, kugelrunden Glasleuchten – und einer Batterie von Schnapsflaschen, die Fussgänger vor oder nach dem Gang ins Fraumünster zu Hochprozentigem einladen sollten. Die «Bodega» ist vermutlich Zürichs erste Bar gewesen. Später gab es Verwechslungen mit der «Bodega Española» von Pedro Gorgot an der Münstergasse, und so wurde aus der «Bodega» erst die «Bodega Old Fashion» und später die «Old Fashion Bar».

René Ammann*


«Old Fashion Bar», Fraumünsterstrasse 15, 8001 Zürich, Tel. 044 211 10 52. Offen Montag bis Mittwoch 10 bis 24 Uhr, Donnerstag bis Samstag 10 bis 1 Uhr. Sonntag geschlossen. www.oldfashionbar.ch.

*René Ammann und Peter Keck essen und trinken jeweils zu zweit, weil es geselliger ist. Einmal schreibt Herr Keck, dann wieder Herr Ammann.Ƕ


Perry Spezial
Erfrischender Longdrink mit optischer Finesse.
Zutaten: 3 Limettenscheiben, 4 Eiswürfel, 4 cl Gin oder Vodka, 1 cl Sherry Dry (Tio Pepe), 1 cl Rose’s LimeJuice, 14 cl Tonic Water.
Zubereitung: Ein Eiswürfel in ein Longdrinkglas geben, und eine Limettenscheibe darauf legen. Diesen Vorgang wiederholen, bis drei Schichten aus abwechselnd Eis und Limetten entstanden sind. Anschliessend den Sherry Dry dazugeben, danach die Spirituose und den Rose’s LimeJuice. Mit Tonic Water wird der Longdrink abschliessend aufgefüllt.