Grosse Lust auf kleine Räume

Der Altstadt Kurier feiert sein 25-jähriges Jubiläum. Wie lautet das Rezept, das unsere Quartierzeitung im Innersten zusammenhält?

Unser Herz hängt am Vertrauten. Es reagiert mit sanfter Wehmut, wenn es vom Ort seiner Herkunft getrennt wird. Ein Glück, dass auch die Neugierde auf die grosse Welt in unser Herz gepflanzt ist. Wir reisen umher, lassen uns an fremden Orten nieder. Und siehe da: auch hier ist es bald der kleine Raum, das Café um die Ecke, der samstägliche Markt, das Gesicht im Haus gegenüber, an das wir uns binden. Schön, wenn inmitten solcher Kleinräumigkeit – selten genug – jene Haltung entsteht, die man Weltbürgertum nennt. Sie gründet jeweils in der Einsicht, dass alle Kleinheiten dieser Welt verflochten sind, zusammenhängen und Verwerfungen bilden, aus denen die Geschichte entsteht, die zu kennen sich lohnt.

Das lokale Weltblatt
Wenn uns manchmal das melancholische Gefühl beschleicht, die grossen Dinge dieser Welt seien für uns unerreichbar, wir seien all der Unbill des Zeitenlaufs blind unterworfen, so mögen wir wohl recht haben. Nur vergessen wir bisweilen, dass auch die grossen Dinge dieser Welt auf dem Banalen, Kleinen gründen. Und dass alles irgendwo im Kleinen beginnt, und zwar meist dann, wenn Menschen ihre Köpfe zusammenstrecken und über die Zusammenhänge nachzudenken beginnen.
Aus einem solchen Verständnis heraus nennt sich unsere Quartierzeitung vermessen, ironisch und liebevoll zugleich «Weltblatt für den Kreis 1». Denn die Welt taucht auch in unserem Quartier auf. Zum Beispiel, wenn die Immobilienpreise ansteigen, der Lebensmittelladen den Mietzins nicht mehr aufbringen kann und durch eine internationale Modekette verdrängt wird. Dann leuchtet in einer lokalen Verwerfung kurz auch eine globale auf.

Selbstbestimmtheit
Das Quartier ist jener soziale Raum, den wir eben noch überblicken. In dem wir Zusammenhänge erkennen und benennen können. Es ist der Raum, in dem wir selbstbestimmt agieren und die Erfolge und Misserfolge unseres Handelns wahrnehmen. Dieses Gefühl ist unersetzlich. Unsere Zeitung soll solches Engagement erleichtern und ihm die nötige Öffentlichkeit geben. Das macht letztlich auch Spass. Und ist der Grund, dass immer wieder Menschen auftauchen, die sich für unsere Quartierzeitung engagieren.

Wie alles begann
Der Altstadt Kurier entstand im Mai 1984. Damals waren die die beiden Quartiervereine zu beiden Seiten der Limmat, präsidiert von Anne-Marie Korn hier und von Peter Keck dort, mit dem Quartierblatt «Zürcher Altstadt» unzufrieden, weil es die Quartieranliegen nicht zur Sprache brachte. Nach vielen leeren Versprechen des Verlegers entschloss man sich kurzer Hand, selber eine Zeitung zu gründen, «gemacht von Leuten von hier, die hier leben, die hier arbeiten, die hier aufwachsen, die hier alt werden», wie man es in der ersten Nummer treffend formulierte. Das Projekt stand unter einem guten Stern, fand im ersten Präsidenten Benedikt Loderer den verlegerisch versierten Kämpfer und in Ursi Strasser die umtriebige Inserateakquisiteurin, die auch schreibend zum Gelingen der Zeitung beitrug. Das Kind gedieh prächtig, neun Jahre später kam die Geschäftsvereinigung Limmatquai Dörfli (GLD) und ein Jahr darauf auch der Einwohnerverein Altstadt l.d.L. ins Boot. Seither vertritt unsere Quartierzeitung Gewerbe und Bevölkerung der ganzen Altstadt.

Dankbarkeit herrscht
Eine Quartierzeitung 25 Jahre durch alle Stürme zu leiten und dabei alle finanziellen Engpässe zu meistern, braucht Energie. Es ist zu hoffen, dass sich auch in Zukunft Weltenbürger finden, die den Ball aufnehmen, die Quartierchronik fortschreiben und dem öffentlichen Leben im Kreis 1 ein Gedächtnis geben. Auf dass das Quartier noch einmal 25 Jahre ein Forum hat, auf dem unsere Anliegen zur Sprache kommen und dadurch ein öffentliches Gewicht erhalten. Und dabei werden wir auch in Zukunft die kleinräumigen Neugierden stillen und unsere Leserschaft unterhalten.
Der Altstadt Kurier ist nach wie vor ein quicklebendiges Projekt. Das ist nicht selbstverständlich. Daher sei an dieser Stelle allen herzlich gedankt, die das Projekt mit ihrem Einsatz, ihrer Sympathie und ihrem Zuspruch 25 Jahre am Leben erhielten – und auch allen, die es weiter in die Zukunft tragen. Denn unsere Altstadt braucht ihr vertrautes lokales Weltblatt.

Michael Schädelin