Gut gemischt ist halb gewonnen

Das Ja zur Volksinitiative «Für bezahlbare Wohnungen und Gewerberäume in der Stadt Zürich» ist für den Kreis 1 von Bedeutung – und verpflichtet die städtische Liegenschaftenverwaltung zu einer guten Vermietungspolitik ihrer Wohnungen und Gewerberäume.

In der Gemeindeabstimmung vom 13. Juni wurde die Volksinitiative «Für bezahlbare Wohnungen und Gewerberäume in der Stadt Zürich» mit rund 71 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Dies ist namentlich für den Kreis 1 mit seinem hohen Bestand an städtischen Liegenschaften ein wichtiges und erfreuliches Ergebnis, das als kräftiges Votum für die Kostenmiete und gegen ihre Verwässerung mit marktwirtschaftlichen Elementen zu lesen ist. Nun ist der Weg frei, die städtischen Fiskalliegenschaften vom Finanzvermögen ins Verwaltungsvermögen zu verschieben, wo sie vor dem fatalen Teuerungsmechanismus der kantonalen Rechnungslegungsvorschriften geschützt sind. Ob dazu eine weitere Volksabstimmung nötig sein wird oder ob der Souverän in der ersten Abstimmung dazu seinen Willen bereits kundtat, darüber mögen sich nun die Juristen streiten.

Kein Geschenk
Im Abstimmungskampf waren zum Teil recht schräge Argumente zu vernehmen: Die Gegner sprachen davon, ein Ja zur Initiative käme einem «Mietgeschenk» gleich. Im Kreis 1 tummelten sich die Wohlhabenden, die sehr wohl teure Marktmieten zahlen können. Diese Behauptung ist zum Teil richtig und zum Teil falsch und verlangt nach einer einfachen Antwort: Bei der Kostenmiete wird nichts geschenkt. Die Kosten inklusive der Kapitalverzinsung und inklusive der Kosten zukünftiger Erneuerungen sind vollumfänglich gedeckt. Was wegfällt ist allein ein Gewinn. Damit gestalten sich die Preise tatsächlich wahrnehmbar tiefer als jene, die der Markt definiert. Der Verzicht auf Gewinn ist kein Geschenk, sondern politischer Gestaltungswille: Die Innenstadt darf nicht zu einem Ort werden, an dem sich nur noch soziale Eliten tummeln und Banker grosse Zweitwohnungen belegen. Das gilt gleichermassen für Bewohner wie für das ansässige Gewerbe.

Vielfalt statt Monokultur
Und so darf das schräge Argument der Gegner durchaus aufgenommen und so gegrädet werden, wie es die Gegner vermutlich nicht wollten:
Die städtische Liegenschaftenverwaltung ist nun noch vermehrt dazu aufgerufen, bei der Vergabe städtischer Wohnungen jene zu bevorzugen, die auf etwas günstigere Mietzinse angewiesen sind: In dazu geeigneten Wohnungen also Familien oder Alleinerziehende, in kleineren und besonders günstigen Objekten Studenten, sozial Schwächere oder Quartieroriginale. Und bei den Geschäftsäumen brauchen jene Unternehmen den Zuschlag, die ein ertragsschwaches Gewerbe betreiben, das der Quartierversorgung dient – vom Lebensmittelhändler über den Schreiner bis zum Jazzladen.
Viele wittern darin Nostalgie und Strukturerhaltung. Andere erkennen darin vielleicht auch etwas Visionäres: dass nämlich jene städtischen Gebiete, die eine gute soziale Durchmischung aufweisen, sozial stabiler, sicherer, attraktiver und lebensfähiger sind. Und damit für den Staat letztendlich auch finanziell interessanter, weil nicht Private den Gewinn abschöpfen und der Staat die Sozialkosten trägt. Die Globalisierung fördert die Monokultur, in der die Gleichgewichte bekanntlich gerne radikal kippen. Die Gegenkraft wächst heute im lokalen Zentrum, das sich der Monokultur entgegensetzt, das Originelle pflegt, das immer als möglichst vielfältige, möglichst widersprüchliche und sowohl sozial wie kulturell reichhaltige Mischung charakterisiert ist. Nicht im Sinne des Mode- und Schimpfworts Multikulti. Das Wort Kultur reicht nämlich aus – und klingt besser .

Michael Schädelin