Lavater neu entdecken

Das Lavaterhaus an der St.-Peter-Hofstatt ist ein Multifunktionshaus. Ab dem nächsten Frühjahr kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Hier soll ein kleines Lavater-Museum eingerichtet werden.

Heute hat das Lavaterhaus an der St.-Peter-Hofstatt verschiedene Funktionen; es ist Kirchgemeindehaus, es ist Veranstaltungsort, es ist Festsaal und es ist ein «Familien-anlass-Ort». Im Lavaterhaus ist aber auch die Polizeiseelsorge untergebracht. Die Stadtpolizei vereidigt jedes Jahr ihre Polizisten im St. Peter. Darum hat es sich so ergeben, dass der Polizeiseelsorger im Lavaterhaus ein Büro hat. Natürlich werden viele Hochzeiten im St. Peter gefeiert und die Braut wartet im Lavaterhaus oder bereitet sich vor, an ihrem grossen Tag.
Auch für Kirchenanlässe wird das Lavaterhaus genutzt. Zum Beispiel nach dem Weihnachtsspiel der Quartierkinder trifft man sich im grossen Saal mit Christbaum zu Kaffee und Panetone.
Das Kirchgemeindehaus wurde dieses Jahr zum ersten Mal für den Räbeliechtliumzug geöffnet. Die Kinder von links und rechts der Limmat trafen sich zum Abschluss auf der St.-Peter-Hofstatt. In der Lavaterküche wurden der Orangenpunsch und die Zuckerbrötli vorbereitet. Dies war ein gemeinsamer Anlass von Familien rechts und links der Limmat.

Neue Funktion des Lavaterhauses
Neben all diesen Funktionen wird das Lavaterhaus ab dem kommenden Jahr eine Funktion mehr erfüllen: Im dritten Stock ist ein kleines Lavater-Museum geplant, ein Raum zur Aufbewahrung von Büchern und Gegenständen aus dem Leben und Wirken von Johann Caspar Lavater. Das kleine Lavater-Museum soll nicht nur als Arbeits- und Studienraum dienen, vom «kleinen Lavater-Museum» aus sollen auch kleine und grosse Gruppenführungen zu Lavater starten.
Mit-Initiant des Museums und verantwortlich für die Lavater-Führungen ist Ueli Greminger, Pfarrer der Kirche St. Peter. Seit über zwei Jahren befasst sich Ueli Greminger intensiv mit Lavater. Dank der Werkausgabe sind seine Schriften gut zugänglich. Die Kirchgemeinde hat unter der Leitung von Pfarrer Greminger einen Lavater-Lesekreis eingeführt. Der Lesekreis hat die Texte aus dem geheimen Tagebuch zusammen gelesen sowie Texte des Briefwechsels zwischen Goethe und Lavater. Die Kirchgemeinde hat im St. Peter auch Lesungen mit Musik durchgeführt.

Aufbruchstimmung aufgenommen
Diese Beschäftigung mit Lavater hat Pfarrer Greminger darin bestärkt, sich noch intensiver mit dieser besonderen Figur auseinanderzusetzen. Er arbeitet im Moment gerade an einer kleinen Schrift über Lavater, die das Leben und das Wirken von Lavater der Allgemeinheit noch besser zugänglich machen soll. «Lavater», so Ueli Greminger, «war beseelt von der Aufbruchstimmung seiner Zeit. Er übertrug die Ideale des Sturm und Drang auf die Theologie und löste damit den christlichen Glauben aus dem Korsett des dogmatischen Glaubens und der moralisierenden Frömmigkeit seiner Zeit. Er zeigte den Weg zu einem individuellen Glauben, der nicht von Dogma und Moral genährt wird, sondern von der Empfindsamkeit, der Selbstergründung und der Beobachtungsgabe des einzelnen Menschen.»

Besondere Führungen
Lavater, das ist nach Ansicht von Pfarrer Ueli Greminger eine ausgesprochen spannende und bedenkenswerte Figur, die es verdient hat, heute wieder neu entdeckt zu werden. In den Lavater-Führungen soll darum Lavater rund um den St. Peter, seinem Wirkungs- und Wohnort, neu entdeckt werden. Mit den Führungen soll Johann Caspar Lavater als Attraktion und schillernde Persönlichkeit des 18. Jahrhunderts der Stadt Zürich, als prägender Pfarrer der Kirche St. Peter und als Figur einer Religiosität des 21. Jahrhunderts einer breiten Öffentlichkeit wieder bekannt gemacht werden.
Das ist auch im Sinn von Stefan Thurnherr, Präsident der Kirchgemeinde St. Peter. Er möchte das Lavaterhaus der Bevölkerung gegenüber weiter öffnen. Ohne sich aber dem kommerziellen Umfeld anzupassen oder gar zu unterwerfen.
Das Lavaterhaus und mit ihm die St.-Peter-Hofstatt sind, so Stefan Thurnherr, einmalig für Zürich. Obwohl mitten in der Stadt gelegen, ist dies ein Ort der Stille, des Zaubers und der Besinnlichkeit. Hier ist nichts von der Hektik und vom Konsum der nur wenige Meter entfernten Bahnhofstrasse zu spüren.
Das Projekt Johann Caspar Lavater mit dem Museum und den Führungen wird in Zusammenarbeit mit der Forschungsstiftung Johann Caspar Lavater realisiert. Die Stiftung organisiert auch die historisch-kritische Werkausgabe J.C. Lavater im NZZ Libro Verlag.
Analog demjenigen der Turmführung im St. Peter ist das Zielpublikum der Führungen die Zürcher Bevölkerung, Zünfte, Firmen, Vereine, Gruppen aller Art, Jugendliche, Schulkinder und Touristen. Die Führungen heissen übrigens selbsterklärend «Johann Caspar Lavater – neu entdeckt».
Zur Eröffnung der «Sammlung Johann Caspar Lavater am Ort seines Lebens und Wirkens» ist am 15. März 2012 von der Kirchgemeinde eine besondere Veranstaltung geplant.

Myrtha Guggenbühl