Historisches zu Zürichs Wolfbach

Matthias Senn blickt in die Geschichte zurück und zeigt auf, wie und wann das Bachbett zum unterirdischen Kanal wurde.

Die auf mehreren Plakaten in der Altstadt rechts der Limmat angekündigte Sanierung des Wolfbach-Mischwasserkanals, die seit Januar bis im Spätsommer durchgeführt wird, erinnert uns an die Existenz dieses Baches, der unsichtbar unter dem Niederdorf die Stadt durchquerte und kurz vor der Rudolf-Brun-Brücke in die Limmat mündete. Am Adlisberg entspringend, fliesst der Wolfbach als offener Bachlauf durchs Doldertal der Stadt zu bis auf die Höhe der Bungertwies, wo er heute endgültig im Untergrund verschwindet. Das war nicht immer so: Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts galt der Bach als Lebensnerv der Gemeinde Hottingen, und erst 1895 wurde er, damals bereits oberhalb der Bergstrasse, eingedolt. 90 Jahre später führten die Bemühungen um die Renaturierung zur erneuten teilweisen Offenlegung des Baches; das ursprüngliche Projekt der späten 1980er Jahre ging von der Vision aus, den Wolfbach wieder als naturnahes Stadtbächlein durch die Dolderstrasse bis hinunter zum Baschligplatz freizulegen. Über diese Maximallösung gingen die Meinungen im Quartier aber heftig auseinander, und verwirklicht wurde schliesslich nur das 250 Meter lange Teilstück zwischen Bergstrasse und Bungertwies. Der weitere Verlauf des ursprünglichen Bachbetts durch Hottingen bis vor die Tore der Stadt und dann durch die Gassen des mittelalterlichen Zürich lässt sich anhand von Ansichten und alten Plänen recht gut verfolgen. Entlang der heutigen Wolfbachstrasse gelangte der Bach zur Hottingerporte in der barocken Stadtbefestigung, unterquerte dann in einem Tunnel die Schanze, um nördlich am heutigen Heimplatz vorbei über den oberen Hirschengraben zur mittelalterlichen Stadtmauer zu fliessen.
Mit dem Abbruch der Schanzen nach 1830 entstanden die Anlage der Rämistrasse und die Kantonsschule mit dem vorgelagerten Turnplatz. Eine Ansicht von 1849 zeigt, dass der Wolfbach damals auf diesem Areal in einem grossen Ausgleichs- und Klärbecken gefasst worden war, das 1882 dem Bau der zweiten Turnhalle weichen musste. Das Bassin diente nicht nur für Löschzwecke, sondern wurde im Winter jeweils gerne als Eisbahn benützt. Der geplante Erweiterungsbau des Kunsthauses wird exakt über dem Wolfbach-Kanal und dem ehemaligen Standort dieses Bassins zu stehen kommen.
Dem Stadtplan von Jos Murer von 1576 lässt sich entnehmen, wie der Wolfbach neben dem Wolfturm, zwischen Linden- und Neumarkttor unter der mittelalterlichen Stadtmauer hindurch in die Innenstadt floss. Er durchquerte die Klosteranlage des Barfüsserklosters, dessen Ausrichtung – fast 45 Grad von der sonst üblichen Ost-West-Achse abweichend – durch den Bachverlauf bestimmt gewesen ist. Die Klostergebäude beidseits des Baches, dem heutigen Standort des Obergerichts, waren durch einen gedeckten brückenartigen Zwischenbau miteinander verbunden. Aus dem Klosterareal ergoss sich der Wolfbach schliesslich in den Neumarkt, noch 1860 als offener Bach, wie ein Katasterplan aus jenem Jahre deutlich zeigt. Der vom Ingenieur Johannes Müller 1788 bis 1793 gezeichnete Zürcher Stadtplan gibt die Fortsetzung des Bachlaufs detailliert wieder, teils offen, teils zugedeckt durchs Froschauquartier zum Spital und von dort im rechten Winkel parallel zur heutigen Mühlegasse bis zur Mündung in die Limmat.
Dass der Wolfbach kein harmloses Bächlein ist, sondern durch alle Jahrhunderte bei Hochwasser immer wieder zu Überschwemmungen geführt und Keller und ebenerdige Geschäfte auch in der Altstadt unter Wasser gesetzt hat, ist vielfach belegt. Als Wolfsbach wird das Gewässer erstmals in einem Schiedsgerichtsspruch von 1606 bezeichnet, zu einer Zeit, in der die Wölfe in den Wäldern rund um Zürich durchaus noch heimisch waren.

Matthias Senn