Was, was hast du gesagt???

Der letzte Werkstattbesuch mit dem Altstadthaus führte eine kleine Gruppe Interessierter an die Oberen Zäune 12, zu Michael Stückelbergers Hörberatung.

Dass ein schlechtes Gehör nicht nur ein Problem im Alter ist, wissen wir alle. Mich persönlich hat das lange kaum interessiert, bis ich in meiner nahen Umgebung auf die Problematik aufmerksam wurde. Die Mutter meiner Freundin schottete sich gänzlich aus der Welt, wenn sie nachts ihr Hörgerät neben das Bett legte, die Freundin wollte ihre kleinen Kinder nicht mehr zur ihrer Mutter schicken, aus Angst, dass diese die Kinder in einem Gefahrenmoment nicht hören würde. Der Nachbar, der nicht mehr in die Beiz kommt, weil der Geräuschpegel dort zu hoch ist, um einem Gespräch zu folgen. Meine Cousine, die mir voller Stolz ihre neuen, winzigen Hörgeräte zeigte, die wirklich kaum zu sehen sind.
So war ich gespannt, als ich in die Hörberatung Stückelberger kam und dort auf eine kleine Gruppe stiess. Sofort fällt die angenehme Akustik in den Räumen auf. Neben der Praxis oder dem Besprechungszimmer befindet sich das Hörlabor und ein Musikzimmer. Michael Stückelberger ist selber hörgeschädigt und trägt seit 15 Jahren ein Hörgerät. Dies hilft ihm auf die Bedürfnisse seiner Kundschaft einzugehen und hat auch dazu geführt, dass er von der Finanzdienstleistungsbranche in die Hörakustik wechselte. Er arbeitete zuerst kurz bei Phonak und dann als Geschäftsführer bei Siemens Audiologie AG. Er beschloss, auf dem zweiten Bildungsweg die Ausbildung zum Hörakustiker zu machen. Da er in der Branche gearbeitet hatte und selber betroffen ist, erreichte er in nur einem Jahr in Österreich die Ausbildung zum Gesellen und machte im August 2012 die Meisterprüfung. Im Oktober darauf eröffnete er die Hörberatung an der Oberen Zäune. Die Kunden akquirierte er über Ohrenärzte, Veranstaltungen und mit Mund-zu-Mund-Propaganda. Nach einer bedenklich ruhigen Zeit investierte er in eine teure Werbekampagne, was sich ausbezahlt hat, denn heute läuft sein Geschäft gut. Er erzählt uns viel über Frequenzen, Hertz und dass ruhiges Atmen am Ohr 10 Dezibel oder der Lärm einer Hauptstrasse in 10 Meter Entfernung 80 bis 90 Dezibel messen. Er zeigt uns die kleinsten Knochen unseres Körpers, die er in ein Glas hat pressen lassen, die winzigen Hammer, Ambos und Steigbügel, die wir alle im Ohr haben.

Selbstversuch
Im Hörlabor erhalten wir ein Hörgerät, das wir anprobieren dürfen. Wir hören Musik und Hannes’ Hörgerät wird an den Computer angeschlossen. Nun können wir die Frequenzgänge am Bildschirm verfolgen – das ist wirklich spannend. Um ein Hörgerät optimal anzupassen, wird ein Abdruck von der Ohrmuschel gemacht. Michael Stückelberger demonstriert das an einem Plastikohr und schiebt zuerst ein kleines Wattestück in den Ohrgang, um das Trommelfell zu schützen. Anschliessend wird eine Zweikomponenten-Silikonmasse mit einer Art Spritze ins Ohr eingelassen. Das Ganze trocknet sehr schnell und kann nach wenigen Minuten entfernt werden. Die Form wird anschliessend mit einem 3D-Scanner eingelesen und direkt an den Hersteller geschickt, wo das Hörgerät fabriziert wird. Die Kosten für ein Gerät variieren zwischen ca. 750 und 2500 Franken, wobei der Preisunterschied ausschliesslich in der Software liegt. Michael Stückelberger offeriert ein Vierjahresabo für 3000 Franken und verrechnet das Hörgerät zum Einkaufspreis.

Technischer Fortschritt
In den letzten Jahrzehnten haben sich Hörrohre zu winzigen Geräten entwickelt. Je nach Haarschnitt sind sie aber dennoch sichtbar. Nun gibt es seit ca. drei Jahren ein neues Hörgerät, das gänzlich unsichtbar ist. Lyric ist eine kleine Kugel, die direkt vor dem Trommelfell liegt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Hörgeräten, deren Batterie etwa einmal wöchentlich gewechselt wird, kann Lyric bis zu drei Monate Tag und Nacht im Ohr belassen werden und wird dann von Michael Stückelberger ersetzt. Ein Jahresabonnement mit diesem Hörgerät und Sitzungen beim Spezialisten kostet 4800 Franken. Stückelberger, der selbst ein solches Hörgerät im Ohr hat, ist davon begeistert. Er erzählt uns, dass Vokale auch bei Lärm relativ einfach wahrgenommen werden. Zischlaute und Konsonanten sind bedeutend schwieriger zu erkennen. Er versichert uns, dass er dank seinem Gerät in einem Lokal bei vielen Nebengeräuschen vom Gespräch ebenso viel mitbekommt wie wir auch.

Neuer Musikgenuss
Es ist ihm anzumerken, wie fasziniert er von der Materie ist und es ist einfach, ihm zu glauben, dass er – egal für welches Hörgerät sich der Kunde entscheidet – mit einer individuellen Beratung auf die Bedürfnisse seiner Kunden eingeht. – Nun folgt die Kür: im Musikzimmer!
Unser Gastgeber, ein passionierter Musikliebhaber, erzählt uns, wie er dank der Hörsysteme die Musik in allen Tönen geniessen kann. Die Liebe zur Musik hat dazu geführt, dass er sich auf hörgeschädigte Musikliebhaber und Musiker spezialisiert hat. Dafür hat er ein Musikzimmer mit einer potenten Musikanlage und einigen Instrumenten eingerichtet. Damit Menschen mit Hörproblemen Musik wieder geniessen können, braucht es Handarbeit, eine tontechnisch professionelle Infrastruktur und das entsprechende Spezialwissen. Neuere Hörgeräte mit einer komplexen und individuell eingestellten Software ermöglichen den Gang ins Konzert ohne Angst haben zu müssen, dass das Gerät zu pfeifen beginnt. Michael Stückelberger sagt, die optimale Anpassung der Hörgeräte gelinge mit Musik, welche die Kunden selber gut kennen und rät seinen Kunden – trotz eigener grosser Auswahl – ihre eigenen Musikstücke, Aufnahmen oder ihr Musikinstrument mitzubringen. Während des Zuhörens kann der Hörakustiker mit seinem tontechnischen Wissen am Computer das Beste aus dem Hörsystem herausholen.
Längst haben wir vom sehr feinen Apérobuffet ein Glas genommen, uns an den Häppchen erfreut und legen unsere Hörgeräte ab, bevor wir – sehr viel später als vorgenommen –, uns von unserem Gastgeber verabschieden.

Christine Schmuki

Stückelberger Hörberatung, Obere Zäune 12,
8001 Zürich, Tel. 044 251 10 20, www.stueckelberger-hoerberatung.ch.