Schwein unter der Haube

Wo die verklebten Fenster der Epa waren, ist ein helles, zweistöckiges Lokal entstanden, in dem sich auf Laufbändern Salate und Parmaschinken unter Plastikhäubchen drehen.

«Nastro» heisst «Band», daher der Name «Dal Nastro» – vom Band. Im neuen Lokal kreist nämlich an prominenter Lage – rund um die offene Küche und Bartheke herum – ein Laufband mit allerlei Köstlichkeiten. Das hat den Vorteil, dass dem Gast quasi der Speck durch die Nase gezogen würde, drehte er nicht unter der Plastikhaube, bis sich jemand erbarmt. Und es hat den Nachteil, dass das Personal unter dem Laufband auf der Theke hindurch kriechen muss. Was nicht weiter schlimm ist, denn alle sind rank und schlank und halb so alt wie die zwei Gäste neben uns an der Bar. Sie hatten je eine Tasche links und eine rechts auf den (bequemen) Stühlen deponiert, unterhielten sich über «Manikuur» und «Pedikuur» und bestellten bei der jungen russischen Frau im Service in der Muttersprache, bevor sie ins Schweizerdeutsche wechselten.
Wir – mein langjähriger Freund Patrik Gertschen und ich – nahmen Antipasti und Pasta à discretion, das auf dem Kassenzettel als «Abbuffata» (Fresserei, Völlerei) zu Fr. 44.– aufgeführt und nur am Montag angeboten wird. Wir wollten beherzt
zugreifen können, wenn das Band etwas Schmackhaftes herbei schob. Das kommt auf Tellerchen in Gelb, Orange, Rot, Grün und Schwarz. Auf einer der Karten steht, was die Farben bedeuten. Lesen kann man sie kaum, da das Licht gnädig die Gesichtshaut der Gäste glättet. Aber man ahnt, dass «Gelb» mit 5 Franken das Günstigste ist und «Schwarz» mit 18 Franken das Teuerste.

Waiss-a-wain! Gabbischi?
Patrik wünschte sich ein alkoholfreies Bier, er war noch in seiner 40-tägigen No-Alk-Phase «mit zwei Joker-Tagen», wie er einschränkte, an denen er sich Prozentiges erlaubte. Doch Bier ohne gabs keins, dafür einen halben Liter Blöterliwasser zu Fr. 6.–. Ich orderte einen Dezi Sauvignon blanc zu zünftigen Fr. 9.–. Hinter der Bar dampfte das Wasser für die Pasta. Man riecht nicht nach Pommes frites oder Grill, die Lüftung ist brandneu.
Ah, noch ein Wort zur Atmosphäre. Das «Nastro» ist zweistöckig, es laufen Szenen aus Schwarzweissfilmen im Loop, italienische Canzoni schleichen sich ins Ohr. Und die beiden Köche, beide aus Süditalien, würzen mit ihren «Gabbischi?!» und «Waiss-a-wain per la Signora li» den Laden mit dem Flair von Mare und Strada del Sole.
Die Fensterfront im umgebauten Epa-Haus ist übrigens so breit und hoch, dass sich am Morgen gern Frauen mit Kinderwagen und Einkaufstaschen zum Latte macchiato und zum Schwatz treffen. Wer das «Dal Nastro» von der Flussseite her anguckt, wähnt sich eher in einer glitzernden Metropole als im doch eher kleinräumigen Zürich. Bezahlt haben das offensichtlich teuer eingerichtete Lokal die Zwillinge Alexander und Michael Manz vom nahen Hotel «St. Gotthard» und der Zürcher Weinhändler Gianni Ver-gani, während Dario Bertucci das «Nastro» führt.

Sushi unter Neonröhren
«In Japan laufen solche Bänder in günstigen Kantinen mit Neonröhren», erzählte Patrik, er war Ende letzten Jahres sechs Wochen lang dort, «aber das sind alles kalte Speisen wie Sashimi oder Sushi.» Daher muss man die warmen Speisen im «Nastro» an der Theke bestellen, sonst wären die rasch abgekühlt. Die Equipe ist jedenfalls motiviert und höflich, die Preise sind eher hoch und das Essen war «rächt», wie man das im besten Züritütsch loben würde.

Restaurant «Dal Nastro», Sihlporte 3, 8001 Zürich,
Tel. 044 301 41 41. Montag bis Donnerstag von 9 bis 23.30 Uhr, Freitag von 9 bis 02 Uhr und Samstag von 12 bis 02 Uhr offen. Sonntag zu. www.dalnastro.ch.

René Ammann

*René Ammann isst und trinkt jeweils mit einem Gast, weil es geselliger ist. Diesmal mit Patrik Gertschen, der jahrelang die «Kaufleuten»-Restaurants führte.