Rugeli am Wasser

Es liegt am Rand des Kreises 1 mit dem Rücken zum Kreis 4. Hündeler lieben es. Musikfreaks, in die Jahre gekommene Hippies und Theaterleute verehren es ebenso: das «El Lokal».

«Hier würde ich gern einmal spielen», sagt Pat Rafaniello, als wir das zweistöckige Lokal betreten. Es wirkt wie ein Uterus, verklebt von Postkarten, Landkarten, Schildern und Plakaten. Über der Bar schwebt ein übergrosses Skelett und irgendwo lese ich: «Woodstock war Scheisse». Wir bestellen noch zwei Rugeli, fünf Dezi Bier vom Fass, für bekömmliche Fr. 7.50.
Im Garten beim Brunnen hatten wir schon eins gekippt und wären willig gewesen, ein zweites hinterherzuwerfen. Doch die Theke zu finden, an der gerade jemand servieren mag… Sagen wir es so: Es muss toll sein, im «El Al» arbeiten zu dürfen. Pat irritierte das weniger. Er war noch voller Glücks-
hormone von seiner Tournee in Tokio. Dort waren die Gonoreas – wie seine Band heisst – drei Abende lang in einem Club aufgetreten.
Die Gonoreas (die Bedeutung des Wortes mögen Sie bitte googeln) spielen Metal und tun auf der Bühne alles, was auch jungen Japanern die Tränen in die Augen treibt: Kräftig die E-Gitarre zum Riff hochjubeln, von Liebe und Verrat singen, «den Ventilator anwerfen und zum Sound Headbangen, so lange es geht. Und Posen, Posen, Posen!», erzählt er und lacht, «Wir nehmen uns dabei ja selber auf die Schippe.» – Metal ist das, was Mütter sofort als «Lärm» identifizieren, ihre Söhne zum Coiffeur zerren, damit er ihnen die Haar abzwackt, und ihre Töchter zum Arzt, damit er ihnen das Blech aus dem Gesicht zwickt. «Im KV war ich der einzige von tausend Schülern, der die Haare lang trug. Metal gab und gibt mir Kraft», sagt er, «es ist der ehrlichste Musikstil, den es gibt.» Die anderen Schüler kamen geschniegelt, Pat im Iron-Maiden-T-Shirt, aus dem doppelten Boden seines Rucksacks gezogen.
Wir haben Hunger. «Speis und Trank gibts gegen Bares am Tresen unten (immer), draussen + oben (wenn bedient)», steht auf einem Tischreiter. Heute ist der Tresen draussen.

«Eine Million Salate»
Pat kehrt mit Pouletspiessli (zu Fr. 19.–) zurück. «Eine Million Salate» habe es zur Auswahl gehabt, sagt er, «ist der okay?» Am Mittwoch gäbs auch Knusperli aus dem Zürichsee, aber das erfuhren wir erst auf der Website. Jeden Tag serviert das «El Al» ein wechselndes vegetarisches Gericht und eins mit Fleisch.
Die Teller sind aus gepressten Bananenblättern oder sonst etwas vermutlich Abbaubarem, das Besteck ist aus Chrom. Ich hole uns zwei weitere Rugeli. Pat und ich kennen uns aus dem «Bonnie Prince», einem Pub neben dem Kino Alba. Meist ist er dort mit seiner Freundin Michelle und seinem Bruder Danny («mein grosses Vorbild»), der eine eigene Band hatte: Blood Weeps.

«Schwarz zieht mich irgendwie an»
Das Poulet schmeckt gut, die Salate (ich war nie ein Fan von Salaten) ebenso. Am Flughafen Kloten waren sie 15 Leute. 14 flogen nach Tokio. Der Sänger blieb am Boden. Er ist Brasilianer und hätte ein Visum benötigt. Nach drei durchzechten Nächten in der Hotelbar in Tokio stand er da. Pat hatte bereits die Lyrics auswendig gelernt. Die Flüge, das Hotel, alles haben die Gonoreas selber bezahlt. In Tokio wurde die Truppe vom Flughafen weg von einem Fernsehteam begleitet, vom Schuhekaufen über Sushi essen bis zum Absturzbier in der Hotelbar.
Wir wechseln ins «Bonnie», wo Pats Freundin Michelle wartet. Sein Geld verdient Pat Rafaniello als Leiter der Einwohnerkontrolle und des Bestattungsamtes einer Gemeinde am Zürichsee. «Des Bestattungsamtes?», frage ich. «Hm, Schwarz zieht mich irgendwie an», sagt er. Worauf wir alle lachen.

René Ammann*

«El Lokal», Gessnerallee 11, Tel. 044 252 79 39. Montag bis Donnerstag von 10 Uhr bis Mitternacht, Freitag und Samstag von 14 bis 2 Uhr und am Sonntag von 14 Uhr bis Mitternacht geöffnet, www.ellokal.ch.

*René Ammann isst und trinkt jeweils mit einem Gast, weil es geselliger ist. Diesmal mit Patrick (Pat) Rafaniello, dem Bassisten der Metal Band Gonoreas. www.gonoreas.ch oder www.facebook.com/gonoreas.