Kmäsch im Pärkli

Ein vergessener Fetzen Grün darf drei Jahre lang Gartenbeizli sein. Der Gast fläzt sich auf Grosis Sofa, nippt am Bier von Paul, nibbelt Mezze und denkt, wie schön ist es doch auf der Welt! Wo denn das? In der «Kleinen Freiheit». Nie gehört? Hm…

Manche Tipps würde man lieber für sich behalten. Damit der Platz im Strandkorb frei ist, wenn man Lust hat auf ein Gläschen zwischen Rosen. Oder den einsamen Tisch an der Platzspitze ergattert. Oder das Plüschsofa unterm Schirm, wenn es tröpfelt. So ist es in der «Kleinen Freiheit», dem Zipfel zwischen Leonhardstrasse und Weinbergstrasse. Dorthin verirren sich Niederdörfler kaum je, in diesen Spickel an der Grenze zum Kreis 6.

Rosen im Jutesack
René Setz und ich bestellen uns beim alten Schiffscontainer einen gespritzten Weissen (Fr. 7.–). Der Container ist sowohl Bartheke wie Küche und – im Annex – WC. Wir lassen uns auf das Gutschi plumpsen. Um uns blüht ein liebevoll eingerichteter Garten. Neben uns spriessen in einem Jutesack Rosen und rauchen drei fröhliche junge Frauen, ihren Gesprächsthemen nach Studentinnen. Im Strandkorb kuschelt ein Paar und blinzelt in die Abendsonne. Und die zwei Männer, die eben noch prüften, ob der Rasen dicht wächst, sind Max Boosfeld und Elias alias Eli Kleimann (mit Bart). Der eine ist Maschinenbauer, der andere Volkswirt, beide sind Mitte 20.
In ihrer Studenten-WG hatten Max und Eli den Plan ausgeheckt, das Plätzchen aus dem Dornröschenschlaf zu küssen. Sie schlugen der Stadt ein Kulturcafé vor. Und, oh, Wunder, wurden mit wohlwollendem Schulterklopfen auf den Dienstweg geschickt. Der dauerte ein halbes Jahr für ein detailliertes Projekt, einem Betriebskonzept und technischen Zeichnungen für das Baugesuch. Letzten Frühling war es so weit, der Container, der nach den Plänen von Max und Eli zu Office und Küche umgebaut worden war, durfte in den Park gehoben werden – und soll insgesamt drei Jahre dort bleiben.

Kirchererbsensandwich
René bestellte das orientalische Sandwich alias Kmäsch (Fr. 9.–), ich die Mezze-Platte mit Brot (Fr. 12.–), und zwischen den Bissen erzählte mein Gast von den 150 Schulkindern, die innerhalb einer Woche lernen, zehn Bach-Lieder im Chor zu singen. Er hatte einen Bericht gesehen und war vom Konzept derart begeistert gewesen, dass er die deutsche Organisatorin, Friedhilde Trüün, kurzerhand in die Schweiz holte, obwohl er von Haus aus nicht Manager ist, sondern Fachberater im Bereich der Gesundheitsförderung. Das Projekt SingBach füllte zweimal die Französische Kirche in Bern und wird im März 2015 erneut durchgeführt.
«Schön ist es hier», sagt René, «wir nehmen noch eins, oder?» Aber sicher. Er holt zwei weitere Gespritzte Weisse. Es gäbe zwar auch Bier von Paul, die Stange zu Fr. 4.50. Max und Eli legen Wert auf lokale Produkte. Der Kaffee wird «uf de Forch vom Claude gröschtet», der Tee kommt von Sirocco aus Schmerikon SG und das Bier von Paul, der Ralf heisst mit Vornamen, wird in Villmergen im Aargau gebraut. Die Trams nehmen quietschend die Kurve zur Universität hinauf, die Liebfrauenkirche schweigt, und erst der Abendwind, der plötzlich kräftiger wird und kühler, kann uns von diesem traumhaften Platz wegfegen.

René Ammann


Freiluftcafé «Kleine Freiheit», Ecke Weinbergstrasse/ Leonhardstrasse gegenüber der Haltestelle Haldenegg, www.kleinefreiheit.ch.
Offen Montag bis Freitag 7.30 bis 19+ Uhr, Samstag und Sonntag von 14 bis 19+ Uhr.
Am besten sieht man auf der Website des Lokals nach, ob es gerade offen ist. An milden Abenden ist die «Kleine Freiheit» länger für die Gäste da, schliesst aber aus Rücksicht auf die Anwohner spätestens um 23 Uhr.