Wer soll in der Altstadt wohnen?

Seitdem der Tages-Anzeiger den Fall von Hedy Schlatter publik gemacht hat, hat er sich der Thematik Vermietung städtischer Wohnungen wiederholt angenommen.

Fast konnte der Eindruck entstehen, er wolle über jeden Mieterwechsel in städtischen Liegenschaften berichten und über jeden, der noch nicht erfolgt ist. Wenn der bekannte Politiker Daniel Vischer nach dreissig Jahren die Riedtli-Siedlung verlässt, weil der Druck zu gross geworden ist, dann ist das einen halbseitigen Artikel wert. Wiederholt werden «Promis» namentlich erwähnt, weil sie an der Schipfe günstig wohnen. Der Artikel im Vorfeld einer Wohnungsbesichtigung an der Schipfe trug den Titel: «Drei Zimmer an der Limmat zum Spottpreis». Unaufgeregt berichtete am Tag danach 20Minuten: «Bezahlbare Wohnung im Zentrum zu haben».
An besagter Besichtigung vom 26. Juni hat die SP 1+2 einen Flyer an die weit über hundert Personen verteilt, die auf die Besichtigung warteten. Dessen Inhalt umreisst in Kürze, worum es geht: «Die Wohnungen der Liegenschaften in städtischem Besitz werden zur Kostenmiete vermietet. Das heisst der Mietzins wird so hoch angesetzt, wie es zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist. Deshalb sind die städtischen Wohnungen auch für Normalverdienende bezahlbar.
Bürgerliche Parteien versuchen immer wieder diese Praxis zu ändern und die Marktmiete einzuführen. Dann würde sich der Mietzins am Markt orientieren und die Mieten würden enorm in die Höhe getrieben. – Ihre neusten Bestrebungen gehen dahin, dass die Mieten zwar nicht gesteigert werden sollen, dass die bezahlbaren städtischen Wohnungen aber nur an Personen mit den untersten Einkommen vermietet werden sollen.
Das hätte zur Folge, dass Personen mit normalen Einkommen die überteuerten Wohnungen der Privatbesitzer mieten müssten.
Die SP wehrt sich dagegen. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Menschen in Zürich wohnen können. Denn eine gute Durchmischung sorgt für belebte Quartiere.»
Folgt man der Argumentation, so würde dieses Szenario dazu führen, dass sich in der Altstadt nur noch Leute mit sehr hohen Einkommen eine Wohnung leisten könnten und auf der anderen Seite solche mit niedrigen Einkommen, die in städtischen Liegenschaften zur Kostenmiete wohnen. (Wobei die Kostenmiete in renovierten Häusern hoch ausfallen kann.) Die Mittelschicht hätte das Nachsehen. Denn Menschen mit einem durchschnittlichen Einkommen könnten sich das eine nicht leisten und das andere bekämen sie nicht. So würden sie aus der Innenstadt verdrängt.

Elmar Melliger