Zuoberst und zuunterst

Die beliebte Gartenschau aus dem Altstadthaus-Programm führte dieses Mal aufs Dach des Hotel Hirschen.

Der «Garten» des Hotels Hirschen liegt hoch oben. Wo früher Wäsche trocknete, lädt die Dachterrasse heute zum Verweilen ein. Wir, eine Gruppe von über zwanzig Personen, haben Glück, es ist sonnig und windstill, an diesem Samstagmittag, am 21. Juni.
Symmetrisch angeordnet stehen in grossen Töpfen zwei Buchskugeln, umspielt von Efeu, vorne bezeichnen Koniferen die Ecken. In der Mitte steht ein blaues Solanumbäumchen und in der Fortsetzung zieht ein schmiedeiserner bepflanzter Obelisk die Blicke auf sich. Ranken der Passionsblume bringen unzählige Blüten hervor. Für kräftige Farbtupfer sorgen Zwerggerberas und ein leuchtend roter Hibiskus. Wir schauen tief hinunter in die engen Gassen und links und rechts auf benachbarte liebevoll bepflanzte Zinnen. «Was hier oben noch fehlt», sagt schmunzelnd Frau Notter, unsere charmante Gastgeberin, «ist eine Weinrebe.» Denn Frau Notters grosse Passion gilt dem Wein.
Diesen finden wir unten in der «Weinschenke». Der Duft und das warme Licht der Kerzen verleihen dem Gewölbekeller aus dem späten Mittelalter mit den kalkgetünchten Wänden eine fast sakrale Stimmung. Unter einer Glasplatte liegt ein Sodbrunnen, der vom Grundwasser gespeist wird und noch heute funktionstüchtig ist. In schlichten Weingestellen warten über hundert verschiedene Weine (vorwiegend aus Europa) auf die Gäste. Zwei grosse Blumenbouquets geben dem Raum eine feierliche Stimmung. Hier werden denn auch jedes Jahr viele Brautpaare getraut: Die «Weinschenke» ist eine von drei Örtlichkeiten ausserhalb des Stadthauses, wo zivile Trauungen stattfinden. Frau Notter verwöhnt uns grosszügig mit einem feinen Walliser Wein und bringt uns die lange Geschichte des Gasthauses, das als solches bis ins 16. Jahrhundert zurückgeht, näher. Hier, genauer im Saal im Erdgeschoss, spielten die Cabarets Pfeffermühle und Cornichon, später fanden Konzerte statt, mit den Pink Floyds, Black Sabbath und andern Grössen.
So endete eine interessante Gartenführung mit einem spannenden kulturellen Exkurs.

Christina Zehntner