Das weisse Gold von China

Die Untere Zäune ist um einen Atelierladen reicher. Isabelle Fessler kreiert hier edle Objekte und Schmuck aus zartem Porzellan.

Kurz nach Eintritt in die Arbeitswelt von Isabelle Fessler bin ich, zusammen mit zehn anderen Besucherinnen und Besuchern, entzückt von den Schmuckstücken und Objekten, die im Atelier schön präsentiert sind. Alles ist aus zartem Porzellan gearbeitet, was ich eigentlich nur in Form von feinstem Geschirr und chinesischen Nippes kenne. Halsketten in ganz verschiedenen Anfertigungen, ein Haus, ein Schiff und ein Leuchtturm im Miniaturformat, die sich von innen her beleuchten lassen: Kunstwerke und Kunsthandwerk.
Dabei war Porzellan zunächst gar nicht ihre Materie, wie uns Isabelle Fessler sagt. Als sich die ausgebildete Fotografin zu einer Weiterbildung als Gestaltungspädagogin entschied, hatte sie eigentlich vor, die Kurse der Porzellan- und Keramikverarbeitung zu schwänzen, weil sie keinen Reiz in dieser Arbeit fand. Die Ausbildungskosten bewogen sie dann aber dazu, alle Kurse zu besuchen und so verliebte sie sich in dieses quarzhaltige Material, seinen Glanz und die lichtdurchscheinende Transparenz.

Der Arbeitsprozess
Seit Anfang August 2014 ist der Atelierladen an der Unteren Zäune zu finden. Hier entstehen die Objekte, werden sie geformt. Im angrenzenden Raum steht der Arbeitspartner von Isabelle Fessler: der Ofen, der das Porzellan bei 1250 Grad härtet. Das Rohmaterial ist Ton, der im Wasser aufgelöst wird. Dieser flüssige Ton ist die eigentliche Arbeitsmasse. Aus herkömmlichem Ton formt Isabelle Fessler das Objekt und macht davon einen Gipsabguss, der je nach Sujet zweiteilig ist. Die Künstlerin giesst den flüssigen Ton in die Form und lässt ihn während zwei Minuten anziehen – nicht länger, weil der Gips dem Ton das Wasser entzieht und die Masse somit dicker werden lässt. Auch wird in der Keramikszene gerne erwähnt, dass das Porzellan ein Gedächtnis habe und gerne in die ursprüngliche Form zurück will, so erzählt uns die Künstlerin. Die sehr delikate Form wird dann herausgekippt – ein heikler Prozess. Nun kommen die Objekte in den Ofen und werden gebrannt. Hier ist Präzision gefordert, denn schon eine Differenz von wenigen Graden kann das Resultat beeinträchtigen. Dann wird der Ofen abgestellt und langsam abgekühlt, was einen ganzen Tag dauern kann. Durch feines Kratzen und Schaben bekommt die Figur die endgültige Form. Nun wird die Glasur aufgetragen. Einige Stücke werden geschmückt mit Farbspuren von Unterglasurfarben, Engobe oder flüssigem Gold, die mit einem Zahnstocher ganz zart aufgetragen werden. Vieles bleibt aber schneeweiss. Nun wird wieder gebrannt und fertig ist das Objekt.

Schmuck und schmucke Stücke
Die Häuschen, Schiffe und Leuchttürme kommen auf eine kleine Konsole und jedes kann mit einem Kippschalter beleuchtet werden, um das Porzellan erstrahlen zu lassen. Andere Objekte werden an Silberkettchen oder Lederbändern aufgereiht oder befestigt und vereinzelt auch mit Kunst- oder Marderhaar geschmückt – was dann an einer langen Kette als Bauchpinsel getragen werden kann. Besonders faszinierend sind die Halsketten, die aus vielen oder je nach Grösse aus sehr vielen kleinen hohlen «Näschtli» bestehen, die wie ausgehöhlte kleine Fingerkuppen aussehen, und sehr sorgfältig und mit grossem Perfektionismus zu einem Collier zusammengefügt werden.
Das ist dann nicht nur ein sehr schöner, aussergewöhnlicher Schmuck – schön anzusehen – nein, die kleinen, fragilen und archaisch wirkenden «Näschtli», die bei jeder Bewegung aneinander kommen, erklingen dann auch zart. So schön! Das finden auch die Besucherinnen, die sich während des anschliessenden Apéros gegenseitig die edlen Geschmeide um den Hals hängen und bewundern.

Ausblick
Isabelle Fessler fühlt sich an ihrer neuen Adresse sehr wohl. Der Atelierladen ist eine sympathische Mischung aus Arbeitsplatz und Ausstellung. Sie hatte hier einen guten Start und kann ihre Kunstwerke seit einigen Jahren an diversen Messen, wie zum Beispiel «Blickfang» ausstellen. Zudem will sie sich weiterbilden, um Kurse geben zu können. – Ein Besuch lohnt sich.

Christine Schmuki


Isabelle Fessler, Untere Zäune 3, Tel. 079 907 50 51, www.isabellefessler.ch. Offen Dienstag bis Freitag 10 bis 13 und 14 bis 18 (Dienstag bis 17.30) Uhr, Samstag 12 bis 17 Uhr.