Flüchtlinge hier bei uns

Die Flüchtlingsthematik beherrscht seit Monaten die Medien und bewegt die Gemüter. Wie steht es eigentlich in der Altstadt, was hat das hier bewirkt? Ein paar Beispiele.

Schon seit Ende August wohnt eine kurdische Familie aus Syrien in der Notwohnung in der Helferei Grossmünster an der Kirchgasse 13. Pfarrer Christoph Sigrist hat die entsprechende Nutzung der Wohnung, die seit Jahrzehnten für Notfälle zur Verfügung steht, angeregt. Anfängliche Bedenken in der Kirchenpflege wichen der Entschlossenheit, hier etwas zu tun. So lebt ein junges Ehepaar mit seinem nun etwa einjährigen Baby in der Einzimmerwohnung. Nicht viel Raum, aber ein Leben in ­Sicherheit und an der Wärme haben sie hier gefunden. Und sie erfahren Integrationsbemühungen auf verschiedenen Ebenen.
An einem «syrischen Mittagstisch» am 11. November, mit einem Mittag­essen, das der Ehemann zubereitet hat, der in seiner Heimat als Koch tätig war, nahmen etwa sechzig Personen teil. Der Anlass soll eine Fortsetzung finden (siehe unten).
«Im Lauf des Frühlings», so Chris­toph Sigrist, «kann die Familie eine Wohnung beziehen.» Seine Erfahrungen mit seinen neuen Hausnachbarn seien für ihn sehr lehrreich gewesen. Die Sprachbarriere sei ein grosses Problem und die Arbeitsintegration ein schwieriges Unternehmen. Er habe gesehen, «dass Integrationsarbeit harte Arbeit ist und tägliches Brot heisst, nicht Dessert». Auf die Frage, ob denn anschliessend wieder eine Flüchtlingsfamilie aufgenommen werde, sagte er: «Diese Frage kommt immer, so sicher wie das Amen in der Kirche. Alle fragen das, damit sind Erwartungen an die Kirche verbunden.»
Zu den relevanten Themen in der Flüchtlingspolitik hat Christoph Sig­rist eine Veranstaltungsreihe gemacht, bisher haben vier Podiumsgespräche stattgefunden. Die abschliessende Veranstaltung findet in den nächsten Tagen statt (siehe unten).

Türen und Ohren öffnen
Ebenfalls Lebensraum zur Verfügung stellen will man bei der Kirch­gemeinde Predigern, wie Pfarrerin Renate von Ballmoos auf Anfrage erklärte. Konkret geht es um das Erd­geschoss des Pfarrhauses an der Schienhutgasse 6. Die Räume werden heute als Büros und Sitzungszimmer genutzt. Derzeit laufen Abklärungen mit dem Stadtverband der reformierten Kirche, wie Kirchgemeindepräsidentin Lisbeth Rüegg sagte. Die Büros müssten anderswo untergebracht werden, da muss man Lösungen finden. – Die Räumlichkeiten im Pfarrhaus wären optimal auch für eine etwas grössere Familie, es handelt sich um vier grosse Zimmer mit Küche und Bad.
Gleich gegenüber, am Sitz des früheren Bischofs Henrici, wollte man auch eine Wohnung zur Verfügung stellen, doch bis jetzt ist das noch nicht umgesetzt worden.
In der Pfarrei Liebfrauen an der Weinbergstrasse will man «Türen und Ohren öffnen», wie Pfarrer Michael Karber es ausdrückte. So wird man von den 80 (bald 120) in der ­Zivilschutzanlage an der nahe gelegenen Turnerstrasse einquartierten Flüchtlingen deren 30 einladen an die Adventsfeier der Senioren und des Frauenvereins. «Und man will Räumlichkeiten nachhaltig zur Verfügung stellen», so Michael Karber weiter, «etwa für Begegnungen und für Deutschunterricht.» Das hat man ins Auge gefasst. Zudem werden die Kollekten in der Kirche dazu verwendet, Einkaufsgutscheine für Flüchtlinge anzuschaffen, damit sie sich das Nötigste (etwa Körperpflegeprodukte) leisten können oder auch mal vielleicht eine Süssigkeit.

Private Initiativen
Es gibt aber auch private Initiativen im Quartier. So lässt die Quartierbewohnerin Anna Leiser den Erlös ihrer Schmuckbörse vom 21. November im Kulturhaus Helferei dem Verein «Syrian refugee crisis» zukommen. Dieser wiederum hat zwei Tage da­rauf am selben Ort ein Benefizkonzert («Syrische Saiten») zugunsten syrischer Flüchtlingskinder veranstaltet. – Im Schulhaus Hirschengraben gibt es seit September eine Zusatzklasse der Oberstufe für unbegleitete Flüchtlingskinder, die aus Eritrea und aus Afghanistan stammen. Sie wohnen im Kinderheim Sonnenberg und werden durch die Asylorganisation AOZ betreut. Nun haben kürzlich einige Personen aus dem Quartier, von Elternrat und Elternverein Altstadt, an einem Sonntag im Altstadthaus ein Treffen organisiert, um diese Kinder willkommen zu heissen. Es gab zu essen und zu trinken und Spiele. Dazu waren auch einheimische Kinder eingeladen.
So geschieht einiges, teils im Licht der Öffentlichkeit, teils weitgehend unbemerkt, um den hier angekommenen Menschen das Leben etwas zu erleichtern.

Elmar Melliger

Podiumsdiskussion
Abschlussveranstaltung der Gesprächsreihe zum Thema Flüchtlingspolitik: «Flüchtlingsnot – Zeichensetzung am Grossmünster in Wort und Tat». Podiumsdiskussion zum Thema Gutmenschen, mit Amira Hafner - Al Jabaji (Moderatorin, Sternstunde Religion), Knäckeboul (Musiker und Moderator), Pfarrer Christoph Sigrist, Moderation: Felix Reich. Am Mittwoch, 16. Dezember, 19.30 Uhr im Kulturhaus Helferei, Kirchgasse 13. AK

Mittagstisch
Kurdischer Mittagstisch für Gross und Klein in der Helferei an der Kirchgasse 13 am Mittwoch, 13. Januar, 12 bis 14 Uhr.
Erwachsene Fr. 15.–, Kinder Fr. 10.–, bitte anmelden unter betrieb@kulturhaus-helferei.ch.