Holzwege um eine Holzterrasse

Die Terrasse des Restaurants «Alt Züri» musste weg: Eine Tragikomödie in zehn oder mehr Akten.

Akte haben viele Bedeutungen. Ein Akt kann etwas Schönes sein, im Theater oder auch sonst. Akten sind schon etwas weniger lustig und Aktenberge schon gar nicht, sie deuten meistens auf eine unerfreuliche Situation hin.

Seit mindestens 1978 besteht bei der Wirtschaft «Alt Züri» (Altstadt Kurier Oktober 2004) an der Ankengasse eine Holzterrasse. Beliebt und gut frequentiert und ziemlich die einzige Möglichkeit, in diesem steilen Gelände ein Boulevard-Café zu betreiben. Das Podest steht auf abfallendem städtischem Grund und die Gebühren wurden bis heute von der Stadt eingefordert und von den Pächtern bezahlt (heute Fr. 30.– pro Quadratmeter im Monat).
1996 wurden die Bestimmungen geändert. Anders als in Genf (zum Beispiel Rue de la Cité), Lausanne (Place Palud, Rue de la Mercerie), Fribourg und in der Ostschweiz dürfen auf öffentlichem Grund keine Holzbauten beziehungsweise Terrassen mehr errichtet werden, um Tische und Stühle für Gäste bei abfallendem Gelände einigermassen waagrecht hinzustellen. Auch die Pflanzen wurden mit dieser Verordnung normiert. Auf öffentlichem Grund darf nur noch auf dem vorhandenen Untergrund, das heisst, auf Naturboden, Marmor, Stein und Eisen, gewirtet werden, keinesfalls auf Holz.
1997 wurde deshalb erstmals durch die Verwaltungspolizei der Abbruch der Terrasse verfügt. Da nichts passierte, herrschte Ruhe. Jedoch im Jahre 2002 stellte die Verwaltungspolizei fest, dass die Terrasse immer noch da war. Von einer neuen Juristin wurde eine neue Frist bis 31. Januar 2003 gesetzt. In Anbetracht des auf Ende 2004 befristeten Mietvertrages für das Restaurant «Alt Züri» und nach Intervention des Rechtsanwaltes der Pächter einigten sich die Parteien darauf, die Boulevard-Bewilligung bis 31. Oktober 2004 zu verlängern. Zwischendurch besuchte der Chef der Gewerbepolizei mit dem Rechtskonsulenten die Terrasse. – Dezember 2004, die Terrasse steht immer noch. Die Eigentümer der Liegenschaft Schoffelgasse 11 (25 Aktionäre der Alt Züri Immobilien AG, Mitglieder der Verbindung Turicia) äussern die Absicht, das Gebäude im folgenden Jahr zu verkaufen. Der Mietvertrag wird im Einverständnis beider Parteien um ein Jahr verlängert.
Die Terrasse steht auch im April 2005, da niemand weiss, wie ein Ersatz aussehen könnte. Auch Leute des damaligen Tiefbauamtes hatten festgestellt, dass hier fast keine andere Lösung möglich sei, beziehungsweise diese Terrasse die beste Lösung sei. Hinzuzufügen ist, dass das Podest in gutem Zustand ist und dass niemals Lärmklagen wegen abendlichen Gästen bei der Polizei verzeichnet wurden.
Da früher einmal ein Gesuch vergessen ging, schreibt Werner Tanner, Pächter seit vielen Jahren, rechtzeitig am 1. April 2005 ein neues Gesuch, den Boulevard noch diesen Sommer benutzen zu können, da sonst Umsatzeinbussen zu erwarten seien. Das Gesuch wird abgelehnt. Werner Tanner schreibt erneut, da er seinen letzten Sommer auf dem «Alt Züri» mit Terrasse verwirklichen möchte. Die Antwort ist negativ. Es folgen Briefe am 18. Mai (Tanner) und am 25. Mai (Stadt). Das Podest muss am 30. Juni 2005 endgültig weg. (Aber es stand nachher immer noch und wir assen gut auf der Terrasse.)
Nun ist allerletzter Termin, 31. August 2005. Ein Schreiben an den Stadtpräsidenten wird ebenfalls negativ beantwortet. Er kann und darf sich nicht über die baupolizeilichen Vorschriften für Boulevard-Cafés hinwegsetzen.
Und so wird die Terrasse geschlossen und abgebaut, einen Monat vor Saisonende, anfangs September.

Peter Keck