Verena Schilling-Roth

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In meiner aufgestauten Ferienpost war diesmal etwas Trauriges. Auf einem schwarzweissen Foto ihrer Todesanzeige lächelte mir Verena Schilling (geb. 1940) entgegen, so frisch und mit so viel Schalk in den Augen wie damals, als ich sie kennenlernte. – Das war nach meinem dritten erfolgslosen Einbürgerungsversuch. Sie fand das Verfahren dermassen ungerecht, dass sie mich aus Protest zu einem feierlichen Anlass des Gemeinderates ins Zunfthaus zur Meise einlud, zum herrschaftlichen Abendessen in prominenter Gesellschaft. Nicht nur der Stadtpräsident Thomas Wagner war da, sondern auch die vollzählige, peinlich berührte Einbürgerungskommission. Verena kannte mich damals nicht persönlich, wollte aber ihre Solidarität zeigen.

Sie wurde 1980 in den Gemeinderat gewählt. Für ihre Anliegen, die meist das Kulturleben der Stadt betrafen und die sie in ihrem charmanten Baslerdeutsch vertrat, war die Zeit günstig. Es gelang den kulturell engagierten Parlamentarierinnen und Parlamentariern, über die Parteigrenzen hinaus zusammenzuarbeiten. Verena Schilling war damals durch ihre Kompromissbereitschaft und dank den guten Beziehungen zu den Bürgerlichen eine Schlüsselfigur dieser guten Epoche.

Eine andere Eigenschaft von Verena Schilling, die gut zu Solidarität passt, war ihre ausgeprägte Gastfreundschaft. Der Bildungsausschuss der SP, der den «Roten Risotto», einen literarischen Abend, organisierte, war in den letzten zehn Jahren bei all seinen Sitzungen bei ihr zu Gast. Er verzehrte da feine und ausgewählte Imbisse, und leerte, bei den heissen Diskussionen um die Auswahl der lesenden Autorinnen und Autoren, zahlreiche Flaschen von ausgezeichnetem Wein.

In unserem Quartier konnte man ihr oft begegnen. Eine schwarzgekleidete Dame, im «Marion» oder in der «Desti», Kaffee trinkend und NZZ lesend oder im Gespräch mit ihren Freundinnen. Da wird sie jetzt fehlen. Aber es gibt einen Gedanken, an den ich glauben will, der sagt: An wen man sich erinnert, der lebt weiter.

 

Matyas Gödrös