Kulinarischer Höhenflug

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Die Küche des einstigen Tex-Mex-Lokals ist eine ungewöhnliche, aber kostbare Fusion aus japanischen und südamerikanischen Elementen. Nicht ganz billig, aber fein, weil äusserst sorgfältig gemacht und mit erlesener Freundlichkeit und Kompetenz serviert.

Im Haus gegenüber, Glockengasse 18, hat von 1833 bis 1849 Professor Johann Caspar von Orelli gewohnt, der treibende Geist bei der Gründung unserer Uni, wie eine Gedenktafel ankündigt. Aber wir sitzen ja auch vor dem Haus zur Glocke hinreichend historisch. Es gehörte im Mittelalter Conrad Glockner, dem Glockengiesser und Zunftmeister zur Schmiden. In den 1920er-Jahren entstand im Erdgeschoss die Café-Conditorei Usenbenz, 1978 zog das Steakhouse «Churrasco» ein.


«Chef Style»
Ein feiner Einstieg sind die Gambas «Chef Style», in Shichimi-Pfeffer-Butter sautierte Crevetten mit Chili (Fr. 27.–). Wie ein Gemälde angerichtet ist die Trostada: Thunfischtartar mit Wasabi-Ponzu (Fr. 23.–). Ponzu ist eine Zitrusfrucht, die in Japan populär ist. Die Lubina Ceviche, das heisst Wolfsbarsch mit geröstetem Mais, Jalapeño (scharfe Paprika) und Kokos-Limettensauce (Fr. 26.–), gibts nächstes Mal. Und, o Wunder, mein Partner, der Zwiebeln eigentlich verabscheut, isst sie hier mit Begeisterung. Die Kunst des Kochs machts aus! – Zehn Jahre (2005 bis 2015) führten die aus Kosovo stammenden Komanis, Vater Nue und Sohn Sokol (Simon), das «Churrasco» gemeinsam. Dann trennten sie sich, weil sie unterschiedliche Vorstellungen hatten. Simon machte sich auf in die weite Welt. Er besuchte gezielt Weltstädte mit berühmten Steakhäusern, zum Beispiel Lissabon, London, New York… Das Wort Churrasco ahmt onomatopoetisch, also lautmalerisch auf Spanisch das Zischen des ins Feuer tropfenden Fettes nach.

2018 kam Simon Komani zurück nach Zürich. Er suchte – und fand! – wie erträumt ein Lokal im Niederdorf, nämlich die Pizzeria von Tony Navarro im Hotel Hirschen; sie heisst jetzt «Simon’s Steakhouse». Der langjährige Zürcher Küchenzauberer Navarro wirtet mittlerweile in Schlieren im Restaurant «Sabor». Mitgenommen ins Limmattal hat er natürlich sein Markenzeichen, den ewigen Bleistift hinterm Ohr…


Dry aged Beef
Auch im «Churrasco», das Simon Komani seit diesem Frühjahr wieder führt, spielt Dry aged Beef eine Hauptrolle. Der stellvertretende Geschäftsführer Lion Bala erklärt uns geduldig die verschiedenen argentinischen Steaks: Bifes de Chorizo, das klassische Entrecôte vom Pampas-Rind Black Angus (180 Gramm Fr. 43.–, 250 Gramm Fr. 54.–, 400 Gramm Fr. 75.–) oder das marmorierte U.S. Bife de Ancho vom Rindshohrücken (250 Gramm Fr. 65.–, 400 Gramm Fr. 89.–). Speziell, rar und entsprechend teuer ist das Wagyu-Filet-Steak, das pro 100 Gramm 83 Franken kostet. Wir teilten uns 250 Gramm vom superzarten Bife de Lomo (Fr. 64.–). Interessant dazu sind bisher nirgendwo anders gesehene getrüffelte Pommes frites (Fr. 12.–). Oder doch lieber argentinischer Butterreis (Fr. 7.–) oder, noch gesünder, Blattspinat mit Knoblauchbutter (Fr. 9.–)?


Unglaubliche Weinkarte
Für die auch für Zürcher Erstklass-Restaurants ungewöhnlich reichhaltige und qualitativ beeindruckende Wein-Auswahl ist der Geschäftsführer Arber Dragaqina zuständig. Einen Grossteil der Getränke liefert Vergani (seit 1892 im Geschäft). Der Pinot Gris Chilesteig 2019 vom Rebgut der Stadt Zürich kostet Fr. 56.–, der weisse Merlot aus Rovero Fr. 92.– die Flasche. Es muss ja nicht immer ein Sassicaia 2017 (Fr. 345.–) sein.

Wir kommen bestimmt wieder, nicht nur der verpassten Sushi wegen. Auch wegen der immergrün wuchernden Inneneinrichtung (echt Plastik) – zur Zeit unseres Besuchs mit den obligaten Plexiglas-Trennscheiben, was die imposante Platzzahl von etwa 200 natürlich etwas minderte.

Dieses Lokal ist ein Schmuckstück und eine kulinarische Bereicherung für die Altstadt!


Esther Scheidegger

 

Restaurant/Bar «Churrasco», Steak und Nikkei Cuisine, Glockengasse 9, Tel. 044 221 11 44, www.churrasco.ch, täglich 11 bis 24 Uhr geöffnet. 150 Plätze innen, 20 im Innenhof, 30 draussen.