Die Metzgerei Bär schliesst

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Die Metzgerei Bär am Rennweg 50 ist unter anderem bekannt für ihren Fleischkäse. Das Traditionsgeschäft ist seit der Gründung in Familienbesitz. Nun schliesst es per Ende 2021. – Ein letzter Besuch.

«‹B und L› hat in der kalten Jahreszeit Saison.» Damit meint der Metzger Felix Bär Blut- und Leberwürste, die derzeit wieder weggehen wie frische Weggli. Seit einigen Jahren bezieht er sie nach altem Rezept bei einem Produzenten, vorher hat er sie selber gebrüht, was jedoch wegen der Geruchsimmissionen in der Nachbarschaft nicht länger erwünscht war. Was ganzjährig Saison hat, das ist der Fleischkäse, der berühmte Bär-Fleischkäse. Wir sind im Produktionsraum hinter dem Laden. Die Hände hat er in der sämigen Brätmasse, die er aus dem Blitz schöpft. «Während der Fleischwolf grobe Stücke zerkleinert zu Gehacktem, macht der Blitz das feine Brät», erklärt der Fachmann die Maschine mit Jahrgang 1960 aus massivem Metall, die wie er sagt einen Atomkrieg überstehen würde.

Sein Ururgrossvater hat die Metzgerei am Rennweg 1874 gegründet. Das Budget reichte gerade, um sich das nötige Werkzeug anzuschaffen. Das Geld für das erste Schwein musste er sich bei Verwandten ausleihen. Elektrisches Licht gab es damals noch keines, die erste Maschine war eine Dampfmaschine, das Wasser holte man beim Herkules-Brunnen unweit des Geschäfts. Seither hat sich doch einiges getan…

 

Spezialität Fleischkäse
Felix Bär führt den Betrieb also in fünfter Generation. Ehrenamtlich ist er als Präsident des Rennweg-Quartier-Vereins aktiv, jenes Vereins, den sein Ururgrossvater 1888 gegründet und präsidiert hat. «Das Quartier hat sich stark verändert in den letzten Jahren», sagt der heutige Patron. War es früher üblich, dass die Geschäfte am Rennweg von ihren Inhabern im eigenen Haus geführt wurden, ist er damit bald der Einzige. Das Haus ist in Familienbesitz, die Eltern und der Bruder wohnen in den oberen Stockwerken, er im Nebenhaus, er steht täglich selber im Laden. – Die Spezialität des Hauses ist der Fleischkäse. Da ist einmal der normale Fleischkäse aus Kalb- und Schweinefleisch zum Selberbacken bei 160 bis 180 Grad. Und dann gibt es den nach Geheimrezept produzierten Bär-Fleischkäse, dessen Masse – bestehend aus Rind- und Schweinefleisch sowie Leber – von Bär bei 220 bis 250 Grad gebacken wird, bis er eine schöne Kruste hat. Eine Delikatesse, die man kalt geniesst.

Etwa 30 Kilo wiegt die Masse, die er nun für den Verkauf in Alu-Formen portioniert – zum Selberbacken zu Hause. Vor allem diese Spezialitäten hat Felix Bär gepflegt, zum Fleischkäse kommen verschiedene Würste, Trockenfleisch etc.

 

Geschäftsgang veränderlich
«Das Geschäft ist eigentlich nicht schlecht gelaufen», erklärt er. «Es gab immer wieder bessere und schlechtere Zeiten, ein Auf und Ab.» Generell ist zu sagen, dass es früher in Zürich rund 200 Metzgereien gab, heute existieren etwa noch ein Dutzend. Fleisch und Wurst hatten früher in unserer Gesellschaft einen höheren Stellenwert, das Angebot an vegetarischen Speisen in Restaurants beschränkte sich lange auf Salatteller und das Weglassen des Fleisches beim Menü, also die Beschränkung auf die «Beilagen». 1974, zur Zeit der 100-Jahr-Feier, beschäftigten Jakob (1938) und Vreni Bär (1941), die Eltern von Felix, 17 Mitarbeitende. Die sind sich im nicht sehr grossen Laden wohl fast auf die Füsse getreten, um den Ansturm der Kundschaft zu bewältigen. Felix Bär hat das Geschäft als 32-Jähriger anfangs 1998 übernommen.

 

Mehrere Gründe für das Aufhören
Die vergangene Zeit mit Corona war nicht einfach, aber momentan läuft das Geschäft gerade wieder gut. Gründe für das Aufhören gibt es mehrere. Zunächst ist kein Nachfolger in Sicht, Felix Bär hat keine Nachkommen. Ständige Auflagen für kostspielige Sanierungen in dem alten Haus spielten sicher auch eine Rolle. Zudem hat sich in der letzten Zeit im Metzgereigewerbe ein Personalmangel ergeben, es ist schwierig, Nachwuchs zu finden. Schliesslich gibt es gesundheitliche Gründe. Das alles hat den 55-Jährigen zusammen mit Eltern und Bruder zum Entscheid gebracht, die Metzgerei auf Weihnachten 2021 hin zu schliessen.

Felix Bär bleibt am Rennweg wohnen, bleibt im Rennweg-Quartier-Verein aktiv. Wenn er seine «gesundheitlichen Baustellen», wie er das nennt, bearbeitet hat, dürfte ihm nicht langweilig werden. Anfragen für Aushilfseinsätze bei Berufskollegen hat er bereits bekommen. Eine der Anfragen für einen Einsatz stammt von einem branchenfremden Schweizer Unternehmer, der im Ausland lebt und vor allem die Bratwürste vermisst. Das wäre dann allerdings etwas weiter weg, irgendwo in Afrika.

 

Elmar Melliger