Eine Ära geht zu Ende
Seit über achtzig Jahren gibt es den Blumenstand unter den Bögen am Limmatquai bereits. Nun will sich die Betreiberfamilie zurückziehen. Wie kann der bunte Blumenstand in die Zukunft gerettet werden?
«Hallo, wie geht’s?», bekommen die Betreiber des Blumenstandes ständig zu hören. Unzählige Bekannte kommen vorbei, bestellen Blumen, wechseln ein paar Worte, dann und wann ein kleiner Scherz… Das Sozi ale ist hier wichtig, das ist klar. Blumen sind ja auch etwas Persönliches, da ist das Zwischenmenschliche wichtig.
Das Angebot an Schnittblumen ist gross. Die Rosen stammen mehrheitlich aus Ecuador, saisonal gibt es auch Freilandrosen aus der Schweiz und aus Italien. Andere Blumen kommen aus Holland, im Winter aus Südafrika. Fritz Schneiter, von manchen nur «Blueme-Fritz» genannt, erinnert sich, dass zu Zeiten der alten Marktgasse das Geschäft noch besser lief. Damals, als es an der Marktgasse Brot, Fisch und Käse zu kaufen gab und dort eine Drogerie und eine Apotheke war: «Da parkierten die Leute am Limmatquai, bestellten einen Blumenstrauss, besorgten ihre Einkäufe und holten auf dem Rückweg den Strauss ab.» Alte Zeiten halt.
Seit dem Zweiten Weltkrieg
«Die Gemüsebrücke wurde im Zweiten Weltkrieg mit Minen unterlegt», erzählt Fritz Schneiter, «und die dortigen Marktstände wurden deshalb unter die Bögen am Limmatquai verlegt.» So gab es unter den Arkaden am Limmatquai gegenüber des Rathauses jahrelang mehrere Stände, die Gemüse, Früchte und Blumen anboten. Einige von ihnen sind nach dem Krieg auf die Gemüsebrücke zurückgekehrt, andere sind geblieben. Einen der verbliebenen Blumenstände hat Fritz’ Vater Otto damals als Blumen-Engroshändler in den 1950er-Jahren beliefert und den Stand 1958 schliesslich übernommen.
An diesem Stand hat Sohn Fritz nach Abschluss seiner Verkaufslehre 1969 mitzuarbeiten begonnen und ihn wegen gesundheitlicher Probleme seines Vaters bereits ein Jahr später ganz übernommen. Jahrein, jahraus bietet er seither seine Blumen hier an, bei Wind und Wetter, Kälte und Hitze. Vor zehn Jahren ist seine Tochter Claudia (geb. 1983) eingestiegen und hat vor allem den Lieferdienst stark ausgebaut. Heute beliefern Schneiters zahlreiche Büros, Praxen, Restaurants, Bars und Private in der ganzen Stadt.
Freude und Farbe
Fritz Schneiter konnte am 5. März 2022 seinen 70. Geburtstag feiern. Ein guter Zeitpunkt, um aufzuhören, sagte er sich. Seine Tochter Claudia sieht die Zeit für eine Veränderung gekommen und unternimmt erst mal eine Reise in die USA, während der Vater die Kundschaft mit Daueraufträgen noch bis Ende Jahr beliefern will. – Den Stand jedoch wollen die beiden, die seit fünf Jahren von Jenni Hodel unterstützt werden, nicht mehr weiterführen: Am Samstag, 2. Juli 2022 ab 14 Uhr wollen sie «Usbluemete» feiern, in Anlehnung an die «Ustrinkete» bei der Aufgabe einer Beiz. Dabei geht es ums Abschiednehmen, um Blumen. Und ganz vertrocknen soll dabei auch niemand.
Den Ruhestand und die Auszeit ist Fritz und Claudia Schneiter zu gönnen, sie haben mit ihrem Blumenstand viel Freude und Farbe ans Limmatquai und in unsere Altstadt gebracht. Herzlichen Dank dafür!
Blumenstand in die Zukunft retten
Ob hier nicht doch weiterhin ein Blumenstand sein sollte? Das vertieft abzuklären wäre Aufgabe von Quartierund Geschäftsvereinen, von Zürich Tourismus und Politik – auch wenn der Gemeinderat derzeit im Exil in Oerlikon tagt. Etwas Farbe gehört doch einfach hierher, ans Limmatquai!
Elmar Melliger