Dolcefarniente im Oberdorf

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Unser Kulinarier hat im Oberdorf das «Tschingg» besucht, das Restaurant, Take Away und Frischmarkt in einem ist.

Was hat ein italienisches Fastfood-Restaurant eingangs Oberdorf mit einem alten Spiel und unserer nicht allzu entfernten Vergangenheit zu tun? Wir haben es herausgefunden. Bereits um 1850 nämlich begann die erste Einwanderungswelle. Sie kamen aus Nord- und Mittelitalien. Der Süden spielte damals noch keine Rolle. Tätig waren sie vor allem für das neue Eisenbahnnetz. Insbesondere traf man sie auch im Tunnelbau an. 1893 und 1896 kam es zu Ausschreitungen gegen die Immigranten, bei denen italienische Geschäftslokale, Cafés und Restaurants verwüstet wurden. Viele Italiener verliessen in derselben Nacht die Schweiz. Die zweite grosse Welle begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Schweiz verfügte als fast einziges Land in Europa über intakte Produktionsanlagen, aber nicht genügend Arbeitskräfte. Italien hatte damals über zwei Millionen Arbeitslose. Was lag also näher?

Heimweh
Bis heute kam es zu verschiedenen Wellen von Ein- und dann wieder Rückwanderern. Mit derzeit rund 56 000 Menschen bilden die Italiener die zweitgrösste ausländische Bevölkerungsgruppe in Zürich. Und es ist die, die am besten integriert ist. – Um sich in der Fremde einigermassen heimisch zu fühlen, brachte man Gebräuche und Sitten mit. Eine davon war das Spiel «Morra», ähnlich unserem «Schere, Stein, Papier». Dabei streckten zwei Spieler sich die Hände mit einer variablen Anzahl gestreckter Finger entgegen und riefen sich gleichzeitig das Total beider Hände zu. Wer richtig lag, gewann einen Punkt. Sehr oft kam dabei die Zahl «Fünf» vor. «Cinque a la morra», aus dem die Schweizer dann «Tschinggalamora» und «Tschingg» machten. Leider wird dieses Wort heute noch oft als Schimpfwort missbraucht.

Einfaches, originelles Konzept
Die Besitzer hinter der Marke «Tschingg» sind nicht zu Unrecht Stolz auf ihre Vergangenheit und damit auch auf die Herkunft des Wortes «Tschingg». Daher heissen ihre drei Lokale in Oerlikon, am Stauffacher und im Oberdorf auch so.
Gegessen haben wir im «Tschingg» im Oberdorf. Das Konzept ist an allen drei Standorten das Gleiche und relativ einfach. Es beinhaltet frische Pasta, ergänzt durch hausgemachte Saucen, eine frische Frucht, auch in gepresster Form als Saft und zum Abschluss hausgemachte Gelati. Wahlweise zum Mitnehmen, aber auch zum Essen vor Ort. Bei der Wahl des Letzteren wird normal aufgedeckt, wofür ein kleines Coperto fällig wird. Dieses beinhaltet dann auch das frische Brot. Bei unserem Besuch, an einem sonnigen Mittwochabend, stand Emily hinter dem Tresen. Sie beriet uns sehr kompetent und fröhlich in Sachen Pasta und Wein. Wir wollten vor Ort essen und nahmen an einem der kleinen runden Tische vor dem Lokal Platz. Wir starteten mit einem frischen «Insalata Mista» (Fr. 7.50). Aufgrund der Grösse war eine Portion durchaus ausreichend für uns beide. Die Basis des Hauptganges bildete frische Pasta des Partnerbetriebs «Pasta Mercato», zu finden in der Markthalle im Viadukt. Die Portionen gibt es in zwei Grössen, «Piccolo & Normale». Dazu kommt eine hausgemachte Sauce nach Wahl. Wir entschieden uns für Ravioli Gallinacci mit Burro e Salvia (Fr. 19.50) und Paccheri Bolognese (Fr. 16.50). Beides war sehr frisch und wirklich fein. Dazu gönnten wir uns je ein Glas Rabuccolo (Fr. 8.–). Zum Abschluss gab es hausgemachte Gelati, Amarena, der kleine Becher zu Fr. 4.– und einen echt italienischen Espresso zu für Zürich sensationellen Fr. 3.80.
Der Abend war eine gelungene Komposition aus feiner, frischer italienischer Küche und einem Dolcefarniente draussen auf der Terrasse mit Blick auf die belebte Oberdorfstrasse.

Alexander Villiger


Restaurant «Tschingg Oberdorf», Oberdorfstrasse 2, 8001 Zürich, Tel. 043 210 38 08, ciao@tschingg.eu. Geöffnet Montag bis Samstag 8 bis 22 Uhr, Sonntag geschlossen.