Unter dem alten Ginkgo schmausen

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Am Telefon sagten sie noch, es sei alles besetzt. Als wir unangemeldet trotzdem kamen, erhielten wir einen hervorragenden Tisch und das Lächeln eines nicht nur freundlichen, sondern sehr fähigen italienischen Kellners. Der Service im «Baur au Lac» ist perfekt. Und alles andere eigentlich auch.

Über uns der uralte, riesige Ginkgo-Baum. Diese Verse von Goethe über das gespaltene Blatt (geschrieben für seine späte Liebe Marianne von Willemer) passen zu diesem Ort. Die Dualität dieses Baumes ist so zürcherisch wie das ganze Baur au Lac, das nach einer grossen Erneuerung seinen Rang als erstes Haus am Platze bestätigt: weltläufig und bodenständig in der Qualität, perfekt bis zum Tischtuchzipfel. Teuer, zugleich aber entspannt und freundlich.

«Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Dass man sie als eines kennt?»

Vor unserm Tisch 27 liegt der wahrscheinlich teuerste Rasen von Zürich mit Seeblick und ein paar nicht mehr ganz jungen, diskreten Krockett-Spielern. Der Brut Rosé André Clouet (Fr. 28.–) passt zum perfekten Sommertag. Später trinken wir Huit La Londe (Fr. 14.–), einen Rosé aus der Provence. Die exzellente Weinkarte verantwortet Marc Almert, der Sommelier-Weltmeister 2019. Wein verkauft das «Baur au Lac» übrigens unter anderem gleich neben dem Hotel (Börsenstrasse 27) und im «ShopVille».
An den ersten, legendären Hausherrn Johannes Baur (1795-1865) erinnert eine Ehrentafel beim Hoteleingang, der gerade neu gestaltet wurde. Das «Baur au Lac», eröffnet 1844, ist immer noch in Familienbesitz. Gerade hat mit Marguita Kracht (31) die siebte Generation übernommen. (Das «Savoy Baur en Ville» am Paradeplatz dagegen, 1838 eröffnet, ist nicht mehr in Familienbesitz. Es soll 2024 als «Mandarin Oriental Savoy Zürich» nach einer Totalrenovation wieder auferstehen.)

Illustre Gäste
Das «Baur au Lac» wurde bereits in seinem Eröffnungsjahr im ersten Baedecker-Reiseführer über die Schweiz hochgelobt. Der erste Stargast war der ungarische Komponist Franz Liszt, der dem geächteten und überschuldeten Richard Wagner gewogen war, der später Mathilde und Otto Wesendonck begeisterte. Im «Baur au Lac» wurde aber nicht nur musiziert und getechtelmechtelt, sondern auch, 1859, zehn Wochen lang der «Zürcher Frieden» ausgehandelt. Die sardischen und die piemontesischen Delegierten logierten im «Baur en Ville», die französischen und österreichischen im «Baur au Lac». Die NZZ merkte abschliessend an, dass das diplomatische Prozedere dem Hotelier Baur (er war gebürtiger Vorarlberger, mittlerweile aber längst Zürcher Ehrenbürger) immerhin 100 000 Franken eingebracht habe. Thomas und Katja Mann verbrachten hier 1905 ihre Flitterwochen, «auf grösstem Fuss». Der berühmte deutsche Arzt Ferdinand Sauerbruch, neuer Leiter der Abteilung für Chirurgie am Zürcher Kantonsspital, gab seinen Einstand mit der Notfall- Blinddarmoperation der zukünftigen Schwiegertocher der Wirtsleute. Kein Fan war Rainer Maria Rilke, 1919, eingeladen vom Literarischen Club des Lesezirkels Hottingen: «Zürich ist novembrig und neblig… verwirrt, vertrübt, verfasert mich leicht, bringt mir zu viele Menschen.» Stammgäste waren ferner Alfred Hitchcock, Marc Chagall, Kaiserin Sisi, Brigitte Bardot…

Exzellente Gastronomie
Die «Brasserie Baur’s», das frühere «Rive Gauche», machte gerade eine kurze Sommerpause. Verhungern musste man trotzdem nicht, auch nicht verdursten. Auf der Terrasse genossen wir ein ausgezeichnetes, sozusagen gartenfrisches Kopfsalatherz (Fr. 16.–) und darauf den Curry-Krabbencocktail (Fr. 34.–) und ein Lachsrückenfilet-Tatar (Fr. 26.–). Der Wagyu-Burger kommt mit einer Scheibe Foie gras auf den Tisch (Fr. 43.–), die Maispoularde mit Hummus (Fr. 41.–). Der «Pavillon» – auch architektonisch ein Juwel – ist von Dienstag bis Samstag 19 bis 23 Uhr geöffnet.
Es muss ja nicht immer Kaviar sein. Auch Pata Negra, Hummer, schwarzer Trüffel und Wagyu-Rind haben stolze Preise. – 50 Gramm Prunier-Kaviar kosten 86 Franken, das Rindercarpaccio mit schwarzem Trüffel 26.–/ 46.–, die Jahrgangs-Sardinen «Selection Baur au Lac» 24.–, die Sepia-Linguine mit Hummer und Datterini-Tomaten 42.–/72.–.
Ein grüner Schlusspunkt: 1852 übergab Johannes Baur seine Hotels seinem damals 25-jährigen Sohn Theodor. Der Frühpensionär widmete sich nachher dem Gemüseanbau in seinem Garten und belieferte damit seine Hotels. Auf erstklassiges Gemüse setzt das «Baur au Lac» auch heute noch.

Esther Scheidegger

Restaurants «Baur au Lac», Talstrasse 1,
Tel. 044 220 50 20, info@bauraulac.ch.