Seidenmann, Seidenmänner

Das hübscheste Geschäft in unserer Altstadt? Regula meint, es sei der Seidenmann unten im Literaturhaus, am Limmatquai 62. (Sorry Ramos, sorry Barbara Wick, sorry «Bodega» und andere.) Der Seidenmann, der Andreas Hurr heisst, präsentiert (und verkauft) dort wunderschöne Seidentücher, die im oberen Stock entworfen werden. Sie haben ihren Preis, sie sind teuer. Aber eben wunderwunderschön.
Zürich ist eine Seidenstadt. Sie war es zumindest. Die Zürcher Seidenindustrie ist bereits im 14. Jahrhundert belegt, als Glaubensflüchtlinge aus dem Süden ankamen, samt ihrem Wissen über die Seidenfabrikation. Im 17. Jahrhundert folgte ein erster grossen Aufschwung.
Berühmt wurden der schwarze Taft und die Säckchen für das Sieben von Mehl. 1881 wurde die Zürcher Seidenwebschule gegründet, die 1944 in die Textilfachschule eingemeindet wurde, 1846 im Zunfthaus «Zur Zimmerleuten» die «Siidetröchni», eine der ersten Aktiengesellschaften im Kanton Zürich, die heute noch an der Gotthardstrasse ihre denkmalgeschützte Fassade zeigt, mittlerweile aber Testex heisst.
Das Hotel Florhof ist der letzte noch existierende ehemalige Seidenhof, er war auf Florettseide und Musselin spezialisiert. Derzeit ist er geschlossen, die neuen Inhaber Peter Spuhler (Stadler-Rail) und Silvio Denz («Lalique») engagieren sich bestimmt seidenaffin für ihr gemeinsames Unternehmen und belassen hoffentlich den historischen Terrassengarten mit dem ersten Feigenbaum, dem Regula in Zürich begegnete.
Mit Zürich als internationaler Seidenmetropole befasst sich auch das kürzlich nach einem opulenten Umbau wieder eröffnete Ambassador hinter der Sechseläutenwiese, direkt an der Grenze zwischen Kreis 1 und 8. Das frühere Utoschloss ist jetzt eins der gepflegten Hotels der Unternehmerfamilie Meili. Auf jeder der sechs Etagen wird die Beziehung Zürichs zu den wichtigsten Handelspartnern – Grossbritannien, Spanien, Frankreich, Indien und Fernost – bildhaft abgehandelt.
Und auf der Dachterrasse, die in Zukunft bewirtschaftet wird, gibt es eine einmalige Aussicht auf die Seidenstadt Zürich.
Die Seidenstadt Zürich lebt! Und bald wird sie umfassend dokumentiert sein. Seit Jahren arbeitet Prof. Alexis Schwarzenbach, bekannter Buchautor aus der berühmten «seidigen» Familie, an einem grossen historischen Projekt über die Zürcher Seidenindustrie, aus der nachweislich auch das Bankwesen hervorgegangen ist.

Regula