Es geht im gleichen Stil weiter

Nach 44 Jahren übergeben Eric und Brigitte Winistörfer das Restaurant «Bodega Española» an der Münstergasse 15 Ende Juni 2023 in neue Hände: Sie haben das Pensionsalter erreicht und verlagern ihre Aktivitäten. – Neu zeichnen Markus und Daniela Segmüller, die Segmüller Collection, verantwortlich, der neue Gastgeber heisst David Martínez Salvany.
Es ist morgens um 10, in der «Bodega» ist es noch ruhig, einmal abgesehen vom Lärm der Tiefbauarbeiten vor dem Haus. Wir sitzen an einem Tisch in der Tapas- und Weinbar im Erdgeschoss, an dem schon unzählige Gläser Rioja getrunken und unglaublich viele Tapas gegessen worden sind.
«Fundada en 1874», im Jahr 1874 als «Casa Gorgot» durch die Familie Gorgot gegründet, hat Erich Winistörfer (geb. 1931) das Lokal 1952 übernommen und als «Bodega Española» weitergeführt.
Im Obergeschoss befindet sich das Speiselokal, die «Sala Morisca», der maurische Saal, der 1892 von Handwerkern aus Katalonien eingerichtet wurde und seither unverändert geblieben ist. Zur «Bodega» gehört die Weinhandlung mit kleinem Laden im Erdgeschoss und die «Antigua Bodega» schräg über die Gasse im stimmungsvollen Gewölbekeller aus dem 12. Jahrhundert.
Seit 44 Jahren
Seit 44 Jahren, also seit 1978, sie waren gerade 20 Jahre alt, wirken hier Eric und Brigitte Winistörfer. Eric (1958) ist der Sohn von Erich, welcher seinerzeit mit Pedro Gorgot die Weinhandelsschule Wädenswil absolvierte und später das Lokal übernehmen konnte. Ausserdem konnte Vater Erich 1952 die «Dorftrotte-Bar» an der Niederdorfstrasse 37 übernehmen, das die Winistörfers seit 25 Jahren als Tapas-Bar «Tasca Romero» führen. (Davor führte der Vater das Hotel Lamm, das heutige Hotel Alexander an der Niederdorfstrasse mit der Biber-Bar, danach das Restaurant «Turm» am Napfplatz.)
Weitere Betriebe
Damit es nicht langweilig wird, haben Eric und Brigitte Winistörfer 1977 noch den Landgasthof «Paradiesli» gekauft und vor 23 Jahren den Landwirtschaftsbetrieb Bödelihof mit sechs Hektar Land, beides in Betlis am Walensee. Fast 20 Jahre haben sie dort Schafe gezüchtet und an Ausstellungen manche Preise gewonnen. Heute haben sie wieder einige Schafe, bestreiten aber keine Wettbewerbe mehr mit ihnen. Vom Biodiversitätsprojekt auf ihrem Land mit seltenen Orchideen und Insekten wollen wir gar nicht sprechen… Ausserdem haben sie das Restaurant «Flyhof» in einem Haus aus dem 15. Jahrhundert in Weesen.
Das alles bedeutet doch unglaublich viel Arbeit! «Und es funktioniert!», sagen gleichzeitig Eric und Brigitte. Nicht nur in der Zusammenarbeit harmonieren und ergänzen sich die zwei, auch im Privatleben. Weil alles langsam gewachsen ist, können sie es unter einen Hut bringen.
Wie ein eigenes Kind
Nun wollen sie aufhören zu arbeiten, wie Eric Winistörfer sagte. Sie übergeben die «Bodega», verkaufen das Haus. Auch die übrigen Betriebe führen sie nicht mehr selber, behalten die Liegenschaften. Doch den Landwirtschaftsbetrieb, den führen sie weiter, mit zwei Festangestellten. Von der «Bodega» sich zu verabschieden fällt schwer, sie ist wie ein eigenes Kind. Deshalb waren sie froh, in einem ehemaligen Stammgast, der das Lokal liebt und erhalten will, wie es ist, einen Käufer gefunden zu haben. (Sein Name bleibt noch geheim.)
Und der neue Hauseigentümer hat mit Markus und Daniela Segmüller Pächter gefunden, welche die «Bodega» im gleichen Stil weiterführen wollen. Das war den Winistörfers wichtig. Eine Bedingung war auch, dass das ganze Personal übernommen wird. Eric Winistörfer: «Es ist wie eine Familie, sie sind es, welche die ‹Bodega› ausmachen. Teils seit Jahrzehnten arbeiten die Mitarbeitenden hier.» Von den heute 24 Angestellten wollen alle bleiben.
Seit der bevorstehende Wechsel bekannt geworden ist, erleben Eric und Brigitte Winistörfer immer wieder emotionale Momente, einige der Gäste sind in Tränen ausgebrochen. Ein Trost für das Personal, die Gäste und die vielen langjährigen Stammgäste ist, dass es trotz des Weggangs des beliebten Wirtepaars weitergeht!
Elmar Melliger
Die neuen Gastgeber
Die neuen Pächter der «Bodega» heissen Markus und Daniela Segmüller. Mit ihrer Segmüller Collection führen sie bereits acht Boutique-Restaurants wie das «Carlton», das «Roof Garden», das «Adlisberg» oder die James Joyce Bar.
Der Wechsel erfolgt per 1. Juli 2023. Das Lokal bleibt dann einen Monat geschlossen für einige Auffrischungen. So wird das etwa 70-jährige Buffet ersetzt, die Herrentoilette renoviert und in der Küche muss einiges erneuert werden. Das Haus steht unter Denkmalschutz und wird sein Cachet behalten.
Als Geschäftsführer wirkt ab anfangs August David Martínez Salvany (1971), das Wort Gastgeber ist ihm allerdings lieber. Er stammt aus Barcelona und arbeitete als Küchenchef in den besten Restaurants der Region, ein Jahr in London etc. 1996 bis 2002 war er als Saisonnier in der Schweiz, im Restaurant «Wiesental» bei Bülach und in Rapperswil. 1999 absolvierte er in Barcelona eine Sommelier-Ausbildung. Seit 2003 lebt er in Zürich, wo er bis 2010 Küchenchef im Restaurant «Greulich» war. 2011 eröffnete er zusammen mit Antonio Colaianni das Restaurant «Clouds» im Prime Tower, von 2012 bis 2016 war er alleiniger Küchenchef. Als er Vater wurde, entsagte er der Sechstagewoche mit 18-Stunden-Tagen und entschied sich für mehr Zeit mit der Familie.
Die letzten sieben Jahre war er bei der Stiftung Arbeitskette, welche das Café Schober und die Restaurants «Alpenrose», «Limmathof», «Stürmeierhuus» (Schlieren) und «Krone» (Altstetten) sowie das Stark Catering in Schlieren führt und für die er als Executiv-Küchenchef verantwortlich war. Nun übernimmt er also für die Segmüllers die Gastgeberrolle in der «Bodega».
Seit einigen Wochen ist der nun zweifache Vater regelmässig in der «Bodega», um die Leute und den Betrieb kennenzulernen. «Mit Leidenschaft und Seele», sagte er, wolle er den Betrieb führen. «Ich schätze gute Qualität, gute Produkte, gute Organisation. Und ich will von Herzen das Beste machen.» Die Zeit als Spitzenkoch in Lokalen mit drei Michelin-Sternen vermisse er nicht: «Die Zeit hat sich geändert. Man kann nicht mehr alles, den ganzen Luxus, haben, es gibt nur eine Welt. – Die ‹Bodega› zu führen ist mir eine Ehre und eine Herausforderung.»
EM