Japanisches Supergrün

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Anna Margaretha Gessner-Kitt (1652-1701) wohnte, lang ists her, an der Kirchgasse 32. Sie hätte es zum «Shiso Burger» an der Weiten Gasse also nicht weit gehabt. Aber den gibt es erst seit kurzem, seit Mitte Mai 2023.

Erfunden haben den «Shiso Burger» der Vietnamese Tam Nguyen und der in Vietnam geborene Chinese Hien Khai Tieu in Deutschland. Im Juni 2013 eröffneten sie den ersten in Berlin-Mitte, mittlerweile sind es weltweit 15. «Shiso Burger» gibt es in Genf, in Katar, in Wien… Und sei kurzem eben auch in unserer Altstadt.

Shiso gegen allerlei
In Japan ist das mit Thymian und Basilikum verwandte Shiso-Kraut, das auch Perilla heisst, nicht nur als Genuss-, sondern auch als Heilmittel populär. Es soll gegen Krebs, Tumore und Magen-Darm-Beschwerden gut sein, aber auch gegen Kopfweh helfen.
Der «Shisho Burger» an der Weiten Gasse ist weder eine Apotheke noch eine Permanence, sondern ein besinnlich eingerichtetes Restaurant mit Kirschblüten an der Decke, schematischen Darstellungen von Gebirgszügen an den Wänden, in den Fenstern hochgestapelte Böxli für Service und Transport, und natürlich nicken auch ein paar Maneki-neko, die Glück oder mehr Kunden herbeilockenden urjapanischen Porzellankatzen. Platz ist in dem sympathischen Lokal für etwa 40 Personen. Der Lieferdienst läuft parallel zu den Öffnungszeiten des Restaurants. Auf der Quittung heisst es augenzwinkernd: «Tips are good for Karma.»

Exotische Burger
Wir kosteten den Bulgogi Burger mit Rindfleisch (Fr. 18.50/21.50) und den Ebi Burger mit frittierten Garnelen (Fr. 18.–/22.–). Dazu teilten wir uns ein köstliches Kimchi, mit schwarzem Sesam aufgepepptes Gemüse (Fr. 8.–) und hausgemachte Fritten (Fr. 8.–). Verführerisch, für nächstes Mal, ein Chili Leon Burger, oder der Shiso Burger mit Thunfisch, Shiso, Koriandersalat, roten Zwiebeln, Teriyaki-Sauce und Chili (Fr. 18.50.–/22.50).
Es gäbe auch Vegetarisches: den Toad Blaukäse, den Veggie Burger (Fr. 16.–/ 19.–): marinierter Tofu, Auberginen, Cheddar und rote Zwiebeln. Mayo und Ketchup, so viel man will.
Chef in Zürich ist der Portugiese Ricardo Alves Mendes. Seine Crew macht einen engagierten Job, ist super freundlich! Der Umgangston ist mehrsprachig. Jan stammt aus Chile, Carolina aus Polen.
Wir werden gern wieder im «Shiso Burger» speisen – ein paar Stühle gibt es auch draussen auf einer kleinen Terrasse, aber jetzt kommt ja erst mal der Winter.
Einen Versuch mit selbstgezogenem Shiso will ich im nächsten Frühjahr wagen. Das gesunde exotische  Kraut ist einjährig, grün oder rot.
Die würzigen Blätter schneidet man klein, kurz vor dem Anrichten in die Suppe, zu Teigwaren, Reis oder Eierspeisen.

Küche 1699
Die eingangs bereits erwähnte Anna Margareth Gessner, geborene Kitt, die 1699 ein Kochbuch verfasste, das erst kürzlich dank engagierten Historikerinnen erschienen ist («Das Kochbuch der Kittin von 1699», Verlag Hier und Jetzt, 49 Franken), kannte das japanische Wunderkraut wahrscheinlich nicht. Aber sie kochte, wie bei der Oberschicht im Barock gang und gäbe, mit heilenden Kräutern. Für ihre «Jungfrauwenschenkelin» brauchte die Kittin das Shiso nicht, für die «Müslichüechli» empfiehlt sie Salbei, Pfefferminze und Borretsch. Da hätte Shiso eigentlich gepasst. Ihre Pouletschenkel aromatisierte sie mit fünf Gewürzen, das waren Ingwer, Nelken, Galgant, Safran und Rosinen. «In» waren, damals schon, Ingwer, Pfeffer, Zimt, Nelken, Muskat… und vor allem Zucker. Die Kittin wusste wohl, dass Wacholderbeeren wärmen, Muskatnüsse gegen Rheuma helfen, Safran gegen Melancholie, Ingwer gegen Unlust, Nelken bei Darmerkrankungen und Zimt gegen Menstruationsbeschwerden. Wegen der medizinischen Effekte gab es im Mittelalter Gewürze nur beim Apotheker zu kaufen. Das 1864 gegründete Kolonialwarengeschäft H. Schwarzenbach zog erst 1910 ins Haus «Zur alten Post» an der Münstergasse, kam für die Kittin also 200 Jahre zu spät. Shiso ist dort übrigens (noch) nicht im Sortiment.

Esther Scheidegger

«Shiso Burger», Weite Gasse 6, Tel. 043 243 60 62, www.shisoburger.ch. Geöffnet Montag bis Donnerstag 11.30 bis 13.30 und 17.30 bis 21.30, Freitag bis Sonntag 11.30 bis 21.30 Uhr.