Wo Gessner gegessen hätte

Das Restaurant liegt etwas versteckt, mitten in der Stadt zwar, und ist eine Wirtschaft, wie man sie leider nicht mehr häufig findet. Schlicht und einfach (und) gut.

Wo Gessner sicher gegessen hätte, wenn das Restaurant zu seiner Zeit schon existiert hätte, denn er liebte nach der Überlieferung die einfache bürgerliche Küche, ohne jedoch als Sihlherr ein feine Forelle aus der Sihl zu verschmähen. Der Dichter, Zeichner und Rat Salomon Gessner lebte von 1730 bis 1788, allerdings rechts der Limmat. Da er aber eben den Sihlwald verwaltete, wurde die Allee entlang der Sihl nach ihm benannt. Eine ganze Allee, während heute an die Koryphäen unter den Leuten der Feder nur, wenn es gut geht, ein schmaler Durchgang in Neu-Oerlikon erinnert.

Wirt und Wirtschaft
Eigentlich müsste man solche Lokale unter Schutz stellen, denn hier herrscht die Normalität, die in unserer schnelllebigen Zeit angenehm und wohltuend wirkt. Paul Menzi, der das Restaurant seit 1995 führt, war früher Gastgeber im «Bederhof» am Waffenplatz, steht selber am Herd und richtet nur Frischprodukte an und sieht zu, dass die Preise trotzdem nicht in die Höhe klettern. So sind denn die 65 Plätze drinnen und im Sommer die 50 Plätze im Garten mittags und abends immer gut besetzt. Clubs, Vereine und Studentenverbindungen gehören zu den Stammgästen, die das Lokal gerne besuchen. Das Lokal liegt etwas versteckt an der Ecke Schützengasse / Gessnerallee, was den einen recht ist, dem Wirt manchmal etwas weniger.

Hausgemacht und ausgezeichnet
Zur Wahl stand die Tages- und die Frühlingskarte. Da der Frühling sich an diesem Tag wieder von der schlechteren Seite zeigte, wählte ich die Tageskarte. Nicht zu Unrecht, denn der hausgemachte Hackbraten war ein Gedicht.
Begonnen hat das Mahl mit einer feinen Flädlisuppe, beste selbst gemachte Flädli in einer guten Bouillon, in der dem Geschmack nach das ebenfalls auf der Karte befindliche Siedfleisch geruht hatte. Es folgte ein bunter Salat mit schmackhafter, nicht zu sämiger Sauce und dann eben der Braten. Wenn man sagt, «er hat den Braten gerochen», so ist das hier absolut positiv zu verstehen, denn auch die Sauce war sehr gut. Die Beilage, Kartoffel-/Lauchgratin, wäre in Paris nicht besser gewesen. Das Ganze hiess Menu 2 und war für Fr. 18.50 zu haben. Dazu gab es gutes, dunkles Hausbrot. – Es gibt ja immer wieder Hackbraten-Testessen, Hackbraten von Kochkoryphäen oder Hobbyköchen werden geprüft und bewertet. Dieser hätte die Konkurrenz nicht zu fürchten gebraucht. – Ebenfalls überzeugten bei einem nächsten Besuch die Zander-Chnusperli mit Tartarsauce und reichhaltiger Salatbeilage (Fr. 20.50).
Ein Zweier Fechy (dl Fr. 4.50) begleitete den Anfang, ein Zweier fruchtiger Beaujolais (dl Fr. 3.50) bildete den Schluss. Doch hat die Karte noch weitere Weine, offen und in Flaschen, im Angebot, zum Beispiel «Gottfried Keller Wy», ein Klevner vom Zürichsee, beziehungsweise von Landolt (5 dl Fr. 21.50), ein Gamay aus Genf (5 dl Fr. 17.50) und bei den Weissen ein «La Côte» (5 dl Fr. 18.–) und ein Aigle (5 dl Fr. 25.–). Der «Gespritzte» ist für 6.20 zu haben, wenn es dann endlich etwas wärmer geworden ist.

Frühlingskarte, verlängert
Wobei wir wieder beim Frühling sind. Die betreffende Karte, (eine Karte macht jedoch noch keinen Frühling), bietet unter anderem marinierte Pouletbrüstli mit Kräuterquark, Pommes frites und Gemüsegarnitur (Fr. 20.50) oder Spargel-Tortelli mit Parmesan und Butter
mit Cherrytomaten und Ruccola (Fr. 17.50) oder Zander-Chnusperli mit Sauce Tartare und Salat (Fr. 20.50) oder eine Omelette «Printanier» mit Champignons, Gemüsen und Kräutern (Fr. 14.50) an. – Wenn diese Zeilen erscheinen, beginnt etwa eine Woche später der Sommer, doch da der Frühling nicht richtig stattgefunden hat, bleibt noch eine Zeit lang das Angebot auf der Frühlingskarte bestehen.

Liebe zum Beruf
Beim Inhaber Paul Menzi merkt man, dass ihm die Arbeit Spass macht, dass ihm die Zufriedenheit der Gäste wichtig ist. Nicht nur die Atmosphäre stimmt, man merkt es auch an den Gästen, die ihn freundlich begrüssen. Man spürt eine gewisse Dankbarkeit, dass es dieses Lokal noch gibt, wo man willkommen ist und nicht das grosse Portemonnaie mitnehmen muss,
um köstlich zu essen und wo man nach dem Essen (ausser im Garten, da lieber nicht) ganz selbstverständlich – jassen darf.

Peter Keck