Boulevardgastronomie
Hochsommerliche Temperaturen locken ins Freie, Boulevardgastronomiebetriebe haben Hochkonjunktur. An einigen Stellen in der Altstadt bietet sich dem Blick indessen Überraschendes.
Seit 2000 erstellt die Stadt einen Leitfaden für die Boulevardgastronomie, das sind siebenhundert Betriebe, in dem alle geltenden Regeln aufgeführt sind. Wer im Freien wirten will, braucht dazu eine Baubewilligung, so hat es das Bundesgericht entschieden, damit die betroffene Nachbarschaft sich gegebenenfalls mit einer Einsprache wehren könnte. In der Baubewilligung wird alles Wesentliche geregelt, mit Lageplan, Zahl der Sitzplätze und Öffnungszeiten.
Gepflegtes Erscheinungsbild
Sodann braucht es eine Polizeibewilligung, die jeweils für eine Sommersaison (vom 1. März bis 2. November) oder Wintersaison (die übrige Zeit) gilt und stillschweigend verlängert wird, solange sich nichts ändert.
Für die Benutzung des öffentlichen Raums ist eine monatliche Gebühr pro Quadratmeter zu entrichten. 2022 wurden im Nachgang zur Corona-Pandemie die Regeln gelockert.
Die Stadt Zürich legt Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild der Boulevardgastronomie, weshalb keine Werbung auf dem Mobiliar (Sonnenschirme etc.) erscheinen darf. Auch haben die Betriebe Rücksicht zu nehmen auf den Standort. Das Mobiliar ist ausserhalb der Öffnungszeiten zu sichern, dass es nicht benutzt werden kann.
Bei der Bewilligung der Flächen sind Mindestmasse für Durchgänge und Mindestabstände zu Fahrbahn, Bäumen etc. einzuhalten, was der Sicherheit dient, auch müssen Unterhaltsarbeiten jederzeit möglich sein.
Für Plätze gilt, dass «wesentliche Teile der Öffentlichkeit zur nichtkommerziellen Nutzung zur Verfügung stehen müssen». Auch gilt es gebührenden Abstand zu Brunnen und Kunstobjekten einzuhalten, nämlich drei Meter. Und es ist eine ausreichende Zugänglichkeit zu wahren.
Passen die Regeln?
Mancherorts stellt sich die Frage, ob die Regeln ausreichen für eine befriedigende Lösung.
Auf dem Hirschenplatz etwa bietet sich derzeit ein ungewohntes Bild. Im Zuge der Werkleitungssanierungsarbeiten wurde ein Streifen derart gepflästert, dass mobilitäts- oder sehbehinderte Personen problemlos vorankommen. Allerdings führt diese Spur mitten durch bewilligte Boulevardflächen, was überrascht. Die Bestuhlung reicht nun um die Breite der Spur weiter auf den Platz hinaus.
Ein anderes Beispiel betrifft den Münsterhof, der ein elegant-gepflegtes Erscheinungsbild hat, mit Fraumünster und zwei noblen Zunfthäusern am Platz. Nun hat ein kleines Restaurant, das «Münsterhöfli», neuerdings eine riesige Boulevardfläche belegt, die entlang mehrerer Hausfassaden führt. Rund dreissig Sonnenschirme zählt das Lokal, die Zahl der Sitzplätze auf Stühlen und Bänken ist schwer zu schätzen. Der Platz ist gross und nähme noch viele, viele Sitzplätze auf.
Die Frage ist, wie passend das ist und ob man das auch will. Der Brunnen mit der grossen flachen Schale und dem markanten, weit ausladenden bronzenen Wasserzulauf jedenfalls droht fast unterzugehen im Gewimmel, zu verschwinden im Meer der Sonnenschirme und Tische.
Elmar Melliger