Zürich, wunderbar fremdartig
Dass man auch als kulinarisch einigermassen informierte Zürcherin nach Jahrzehnten ein tolles «neues» Lokal entdecken kann, ist überraschend. Glück gehabt! Das fernöstliche «Tao’s» nah beim Paradeplatz gibt es seit 2001.
Das freundliche «Willkommen» will verdient sein. 20 Treppenstufen sind zu bewältigen, davon die Hälfte ohne Handlauf. Aber das ist das einzige, was wir nach eineinhalb Stunden in dieser stimmungsvollen und diskreten Ecke «i de Mitti vo de City» – wenig mehr als 100 Meter von der Bahnhofstrasse und nahe beim «Strauhof» – zu bemängeln haben. Barrierefrei wäre anders!
Fernöstlicher Reiz
Im Übrigen haben wir ein angenehm eigenartiges Gemisch entdeckt: eine von gewaltigen Platanen beschützte Gartenterrasse von fernöstlichem Reiz, bewirtschaftet von einer freundlichen und hilfsbereiten Mannschaft, die für ein eigenartig gemischtes chinesisch-japanisch-asiatisches Angebot steht. Auch wenn es heute, «sorry», leider kein Lemongrass Chicken gibt. Die grillierte Sole mit Chili und dem koreanischen Zitrusfrüchtchen Yuzu (Fr. 52.–), gewürzt mit einer Ingwersauce, schmeckte vorzüglich, das dazu servierte Wok-Gemüse (Fr. 8.–) ebenfalls. Zur Vorspeise drittelten wir ein Beef Tatar (Fr. 38.–), ein Tao’s Sashimi (Fr. 29.–) und eine Thai-Curry-Suppe mit Kokosmilch und Koriander (Fr. 16.–). Alles sehr fein!
«Tao’s Specials» sind die Snow Crab Ice Bowl mit Kaviar, Kimchi Sauce und einem Brioche (Fr. 65.–) und das Swiss Wagyu Gyoza, gefüllt mit Schweizer Wagyu, Ingwer, Trüffel und Sesam (Fr. 26.–).
Für traditionelle Geschmäcker ist ebenfalls gesorgt: US Black Pepper Beef (Fr. 58.–), Spiced Tuna Steak (Fr. 48.–), Grilled Sole (Fr. 52.–). Viele ungewöhnlich gut gewählte Details fallen auf, zum Beispiel das schöne Geschirr, eigenartigerweise ohne Herkunftsangabe.
Im Herzen der Stadt
Die Mitarbeitenden (wie viele es sind, weiss offenbar niemand) wissen Bescheid und holen auf Wunsch des neugierigen Gastes auch Erkundigungen über die Zusammensetzung einer bestimmten Sauce ein oder über die charaktervollen, gewaltigen Platanen im Herzen der Stadt. Sie beraten freundlich über die Angebote, ohne Hektik, obwohl um Mittag die Gäste aus dem umliegenden Bankenbezirk herbeiströmen.
Billig kann das «Tao’s» natürlich nicht sein an dieser Lage und mit diesem Angebot, aber seine Preise ist es wert. Man rechne mit 100 Franken pro Nase einschliesslich dem einen Glas Wein, das sich auch disziplinierte Business People mittags erlauben, wenn der Chef nicht mit seinem Mineralwasser den Ton angibt. Ungeschriebenes Gesetz aus dem Spesen-Comment bedeutender Firmen für eingeladene Gäste: Wenn du Wein bestellst, dürfen alle anderen auch!
Willkommen in Tao’s Restaurant! Tao bedeutet buchstäblich «Pfad» oder «Weg». Es ist ein universelles Prinzip, dem alles, von der Entstehung der Galaxien bis zur Interaktion der Menschen untereinander, zugrunde liegt. Der Ursprung liegt im Buch von «Tao The King» des legendären Weisen Laotse, der wohl im 6. Jahrhundert v. Chr. gelebt hat. In der Nähe des «Tao’s» befand sich, lang ists her, das «Hinteramt», Zürichs älteste Universität.
Und immer noch aktiv ist die um 1270 in gotischem Stil erbaute älteste katholische Kirche Zürichs, die Augustinerkirche, die im Zug der Reformation zu einer Münzstätte umfunktioniert wurde (sie steht ja auch am Münzplatz). Heute ist sie christkatholisch. Das ist eine Gründung aus dem 19. Jahrhundert, als liberale Katholiken den Unfehlbarkeits-Anspruch des Papstes nicht akzeptieren konnten und eine eigene Kirche gründeten.
Strenger Denkmalschutz
Wir sassen natürlich – es war Ende August – im angenehm windgeschützten Garten, aber auch die Innenräume werden in der kommenden kühleren Jahreszeit willkommene Ziele von Gourmets sein, die an diesem beinah versteckten Platz mitten im Finanzdistrikt das Besondere suchen. Der strenge Denkmalschutz und die diskret ungenannte Besitzerschaft um Philipp Hausherr haben den angenehmen Belle-Époque-Stil trefflich bewahrt. Es gibt auch Räume für Anlässe von 10 bis 250 Personen.
Zur gleichen Gruppe gehören übrigens das nebenan liegende «Icon», die «Aura»-Betriebe am Bleicherweg und das «Yuma» am stadtnahen Ende der Badenerstrasse. Verglichen mit dem Trara, das andere Gastro-Gruppen in den Fussstapfen von Fred Tschanz, Rudi Bindella, Martin Candrian und anderen regelmässig veranstalten, ist die vornehme Zurückhaltung der «Tao»-Gruppe, verbunden mit tadelloser Qualität in Küche und Service, geradezu unmodern. – Aber erfrischend angenehm!
Esther Scheidegger
Restaurant «Tao’s», Augustinergasse 3, Haupteingang St. Peterstrasse 1, Tel. 044 448 11 22, welcome@tao-group.ch. Offen Montag bis Mittwoch 11.30 bis 14 und 17 bis 24 Uhr, Donnerstag und Freitag 11.30 bis 14 und 17 bis 3 Uhr, Samstag 12 bis 4 Uhr.