Rückeroberung des Veltlins

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Das Restaurant «Veltliner Keller» an der Schlüsselgasse 8 hiess bis 1971 «Zum goldenen Schlüssel».
Es wird in zweiter Generation von Claudio Derungs geführt und spezialisiert sich auf regionale Spezialitäten. Legendär ist das «Tournedo Rossini» mit gebratener Entenleber und Truffeljus.

Veltliner ist gesund! Herausgefunden hat das seinerzeit der deutsche kommunistische Asylant und Arzt Alexander Spengler (1827-1901). Er suchte Gründe dafür, warum in Davos niemand an Tuberkulose (Schwindsucht) litt oder sogar geheilt werden konnte. Willem Jan Holsboer liess eine erste Kuranstalt errichten, in der Spengler die ärztliche Leitung übernahm. Seine Kundinnen und Kunden mussten täglich zwei Liter Milch trinken, und genügend Wein, mindestens einen halben Liter. Der Schriftsteller Norman Ohler beschreibt das in seinem jüngsten Werk «Der Zauberberg, die ganze Geschichte» (Diogenes) anschaulich. – Im historischen «Veltliner Keller» in Zürich hat man heute eine noch edlere Auswahl. Der Valtellina Numero Uno (Plozza) kostet 110 Franken pro Flasche. Natürlich gibt es auch Weine aus anderen Regionen. Versuchen Sie es einmal mit einem der Portugiesen, die hier besonders gepflegt werden (Fr. 83.– bis 95.–).

Umkämpftes Veltlin
Im Historische Lexikon der Schweiz ist zu lesen: «Das Veltlin liegt im Tal der Adda und bildet heute mit dem Valchiavenna die italienische Provinz Sondrio, die nördlichste der Region Lombardei. Im Norden bilden die Rhätischen Alpen die Grenze zum Kanton Graubünden. Die Felszeichnungen von Grosio bezeugen, dass das Veltlin seit der Jungsteinzeit besiedelt war.»
Seit dem 13. Jahrhundert war das Veltlin umkämpft, Kunststück, bei diesen prächtigen Weinbergen und Weidegründen! Besonders begehrlich blickten immer die Herren Sforza aus Mailand, aber auch die Franzosen und die kriegstüchtigen Nachbarn aus den Drei Bünden auf die Ländereien. Auch die Franzosen zogen ein, nicht zu vergessen die Spanier, und der lokale Adel war sowieso kampfeslustig. Napoleon war es schliesslich, der den ewigen «Wanderpreis» zu den Drei Bünden schubsen wollte – aber siehe da: Diese lehnten, wenn auch mit knapper Mehrheit, einen solchen Anschluss ab. Am 10. Oktober 1797 gliederte daher Napoleon das Veltlin und die beiden Grafschaften in die Cisalpinische Republik ein, und vorbei wars mit der Chance für einen späteren «Kanton Veltlin»! Die Geschichte wiederholte sich übrigens etwa sechs Generationen später, 1917, im Vorarlberg…

Arvenholzgetäferte Wohlfühloase
Geblieben ist uns mit dem «Veltliner Keller» (bei der Kirche St. Peter) ein gastronomisches Denkmal für die klassische, gepflegte Küche. Als Gast kann man sich nur fragen: Warum haben die Bündner damals zur Übernahme des ganzen Veltlins Nein gesagt?
Im historischen Zürcher Altstadtlokal, 1357 erstmals im Altzürcher Steuerrodel erwähnt, kann man auf drei Etagen gediegen speisen. Reservieren ist nötig. Den ehemaligen «Goldenen Schlüssel» übernahm 1971 Georg Derungs, jetzt wirtet sein Sohn Claudio. Regionale Spezialitäten gibt es seit 1551. Sommelier ist Paolo da Silva, die Weinkarte ist grandios. Küchenchef ist Urs Lehmann.
Spezialitäten des Hauses sind der Veltliner Topf, Mixed Grill auf gratinierten Maccaroni (Fr. 49.50), das geschnetzelte Kalbfleisch Zürcher Art mit Rösti (Fr. 49.50), das Osso Buco mit Safranrisotto (Fr. 51.50), das Chateaubriand mit Pilzen und Gemüse (ab zwei Personen, Fr. 68.– pro Person). Und wer die Schoppa da giuotta (Gerstensuppe, Fr. 15.–) auslässt, ist selber schuld.
Derzeit ist natürlich Wild Trumpf. Zum Einstieg passt auch die köstliche Fasanenconsommé mit Armagnac, Trüffel und Wachtelei (Fr. 19.-). Dann gern der selten erhältliche Gämspfeffer mit Speckwürfeli und Champignons mit Spätzli und Rotkraut (Fr. 49.50) oder der mit Cognac flambierte Rehrücken mit Marroni, Apfel, Rotweinbirne, Trauben, Pilzen, Rotkraut, Rosenkohl, Preiselbeeren, Spätzli und Wildrahmsauce (ab zwei Personen, Fr. 69.50 pro Person).
Alles nicht wirklich preisgünstig, aber preiswert und durchaus gemässigt, wenn man auf die Angebote anderer Erstklasslokale in der Innenstadt blickt.

Esther Scheidegger

Restaurant «Veltliner Keller», Schlüsselgasse 8, Tel. 044 225 40 40, www.veltlinerkeller.ch. Geöffnet Montag bis Freitag 11.30 bis 24 Uhr.