Kulinarische Insel mit Seeanstoss

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Im sogenannten «Fleischkäse» neben dem Opernhaus am Sechseläutenplatz 1 weht ein neuer Wind. Der innovative, umtriebige Gastronom Michel Péclard sorgt für Betrieb.

Kennengelernt habe ich «Lulu» sozusagen auf Abwegen, nämlich nicht am Sechseläutenplatz im Herzen von Zürich, sondern in Winterthur. Dort, an der Stadthausstrasse 53, schliesst leider demnächst das sympathische Lokal «Wein-Punkt», wo Geschäftsführer, Mitinhaber und Weinjournalist Benjamin Herzog Regale mit 100 Weinen betreut. Zu denen gehört auch Lulu vigneron, Côtes du Jura (Fr. 34.– die Flasche). Süffig!
Doch nun also ins Zürcher «Lulu» am Sechseläutenplatz, ehemals «Café Bernadette» und «Belcanto», das seit kurzem einen umtriebigen neuen Chef hat: Michel Péclard. Er führt (beziehungsweise lässt führen) mittlerweile 19 Betriebe, am 1. April 2025 wird er das jahrelang stillgelegte Aussichtsrestaurant Luegeten oberhalb von Pfäffikon (SZ) eröffnen.

Schuld ist Alban Berg
Sein «Lulu» im Herzen von Zürich heisst «Lulu», weil im Opernhaus nebenan 1937 Alban Bergs Oper Lulu uraufgeführt wurde, in der es um die Femme fatale Lulu, Skandale, Leidenschaft und ums Leben schlechthin geht. Posthum, denn der österreichisch-ungarische Komponist Alban Berg war am 24. Dezember 1935 gestorben. Schuld soll seine Gattin Helene gewesen sein, die aus Sparsamkeit einen Furunkel unsachgemäss behandelte und so eine Blutvergiftung verursachte.
Motivierte Teams betreuen im Café im Parterre und in dem mit (teilweise käuflichen) Bildern intensiv bestückten Restaurant im ersten Stock die Gäste. Viele kommen wegen der Musik in den «Fleischkäse», wie das Haus im Volksmund genannt wird. Der Konzertflügel ist nicht Dekoration! Auch Opernsänger setzen sich manchmal effektvoll in Szene, oder ganze Bands.
Zum kulturellen Angebot des «Fleischkäse» gehört neuerdings auch ein Mural am Treppenaufgang vom Utoquai her. In Auftrag gegeben hat es Michel Péclard, gemalt hat es der Zürcher Urban Art Designer Patrick «Redl» Wehrli. Es verewigt Manuela Leonhard, die langjährige Assistentin von Stadtpräsidentin Corine Mauch, die früher einmal mit ihrem Ex-Mann das Hotel Leonhard am Limmatquai führte. Die gebürtige Thurgauerin liebt Zürich, ist eine leidenschaftliche Fotografin, hegt und pflegt ihren Instagram-Account «Zurich is beautyful». Falls der «Fleischkäse» irgendwann doch abgebrochen werden sollte wie vorgesehen, will Péclard das Mural retten und Leonhard als «Madame Lulu» der Nachwelt erhalten.

Sympathische Bistrot-Küche
Serviert wird, auf den Speisekarten lyrisch wortreich verbrämt angeboten, eine schmackhafte mediterrane Bistrot-Küche. Oberster Küchenchef aller Péclard-Betriebe ist Mike Pfister, der «Lulu»-Küchenchef heisst Gianluca Sgier, als Geschäftsführer wirkt Daniel Weist. Wir degustierten im Café Flammkuchen mit Zwiebeln und Speck (Fr. 21.–), Rührei (Fr. 11.–) und dazu zwei Gläschen Riesling-Sylvaner (Fr. 22.–). Alkoholfreies Appenzeller Ginger Bier kostet Fr. 6.50.
Köstlich waren oben, im Restaurant, die frittierten Artischocken (Fr. 21.–); der Petit Chablis passte gut dazu (Fr. 9.50 der Dezi). Es gäbe auch Austern, drei Stück für Fr. 22.50, sie stammen garantiert nicht aus dem Zürichsee. Die «Trinité sophistiquée de Lulu» ist eine Baguette mit Oliventapenade, Stracciatella de Burrata und Tatar vom Rind oder Tomaten (Fr. 24.–). Salade niçoise gibts mit oder ohne Thon (Fr. 26.–/22.–), «Moules et frites Lulu plage» (34.–) kommentiert die Speisekarte mit «Mehr Meer geht nicht». Die Riesencrevetten mit Frühlingszwiebel, Chili und Zitrone kosten Fr. 54.–, das Rindsfilet mit Pfeffersauce Fr. 58.–, das in Rotwein geschmorte Mistkratzerli mit Wurzelgemüse 42 Franken. Fischers Fritz Federweisser? Einen Dezi gibts für 9, die Flasche Turmgut Erlenbach für 58 Franken. Ein Lulu Spritz kostet Fr. 18.–.
Fürs Zürichgeschnetzelte mit Rösti zahlt der Gast 52 Franken. (Zum Vergleich: In der «Boucherie August» am Rennweg 7 kostet es – mit Spätzli – 44 Franken.)
Zum Abschluss im «Lulu» teilten wir uns eine Crèmeschnitte «Mille feulles substantiel pour deux» (Fr. 26.–). Ausserdem gäbe es das klassische Kinderdessert gebrannte Crème (Fr. 18.–) oder eine Tarte tatin (Fr. 16.–).
Wir genossen den Blick auf unsern geliebten Zürichsee, auf die grosszügige Terrasse – die Fondue-Kuppel ist schon abgebaut, aber der nächste Winter kommt ja bestimmt – und wir fragten uns, was für Bäume das Ufer beleben. Wissen Sie es vielleicht?

Esther Scheidegger

Restaurant & Café & Bar «Lulu», Sechseläutenplatz 1, www.lulu-zh.ch.
Café Tel. 044 715 00 27, kaffee@lulu-zh.ch, Montag bis Sonntag 10 bis 24 Uhr.
Restaurant & Bar, Tel. 044 715 00 26, restaurant@lulu-zh.ch, Montag bis Mittwoch 12 bis 24, Donnerstag bis Samstag 12 bis «open End», Sonntag 10 bis 24 Uhr.