Weltküche am Predigerplatz

Wer dem Predigerplatz entlangspaziert, dem fällt ein hübsches Restaurant auf: das «Rechberg», ein kleines Lokal mit feiner Küche.

«Achtung, der Teller ist heiss!», warnte der Chef de Service, Laurent Biollay, und stellte ihn hin. «Ich hoffe, das Essen ebenso», erwiderte Herr Keck, schlagfertig wie immer, und besah sich sein Balti Gosht: scharf angebratene Würfel vom Lammfilet an einer pikanten Curry-Sauce (Fr. 37.–). «Den Curry mahlen wir selber», erklärte der Chef de Service en passant und goss uns den letzten Schluck vom süffigen Grünen Veltliner (Fr. 7.90 pro dl) ein, bevor er das Halbeli Jeninser Blauburgunder (Fr. 45.–) entkorkte.
Die Weine sind unisono von Moser, der Weinhandlung gleich gegenüber. Das erleichtert die Lagerhaltung und die Degustation sowieso, denn diese Distanz kann man unter allen Umständen zurücklegen, es dürften nicht mehr als zwanzig Meter sein. Der Jeninser war lobenswert kühl, sanft und kräftig, wie sich das gehört für Bündner Herrschäftler. Das verleitete Herrn Keck zu erzählen, wie sich eine Zürcher Wirtin aus dem Weinland bezüglich der Temperatur bei ihren Gästen erkundigte: «Wändsen gschtubet oder vom Chäller?» Ob aus
der Stube oder aus dem Keller: Die
Weinkarte vom «Rechberg» glänzt durch jene knappe Auswahl, die eine gute Hand und einen versierten Gaumen verraten.

Einmalige Lage
Das milde Wetter erlaubte, die Fenster zum Predigerplatz hin offen zu lassen. Das Gebimbel um 19 Uhr war vorüber, man konnte sich ohne Zeichensprache unterhalten. Lehnte man sich etwas zurück, sah man in die Baumkronen oder das Dach der Predigerkirche. Setzte man sich aufrecht hin und reckte den Hals, sah man die Baumaschinen vor dem Haus und Heerscharen von schweren Motorrädern, die nachts derart laut wegdröhnen, dass es den Nachbarn die Schlafhauben vom Schädel fegt.
Dabei ist die Lage des Restaurants einmalig. Von der Zentralbibliothek her weht der gesammelte Geist herüber, von der Predigerkirche die Gottesfurcht. Der Einfluss auf die Gäste ist nicht nachweisbar: Die Rechnung muss ohne Ablass beglichen werden.

Beglückter Gast
Die Küche im «Rechberg» ist eine Cuisine du monde entier – etwas von hier, etwas von dort: Der Pirarucu, ein Fisch aus dem Amazonas (Brasilien), schwimmt in einer Sauternes-Sauce, einem Dessertwein aus Frankreich. Das kurz gegrillte (Schweizer) Rindfleisch ruht auf einem Bett aus Thai-Sellerie,
die asiatisch gewürzte Entenbrust (aus Ungarn) schmiegt sich an Süsskartoffeln und Mango, und die Mistchratzerli eilen aus Mägenwil (Aargau) herbei und baden in einer Marinade aus Senf und Honig – «was sie vermutlich nicht ganz freiwillig tun», warf Herr Keck in die Zweierrunde.
Im Haus «Zum Rechberg» wird seit 1876 gezecht und gespiesen. Erst hiess der Betrieb «Wirtschaft zur Hamburger-Halle», ab 1881 «Bierhalle zum Steinhof» und seit 1950 trägt er den heutigen Namen. Seit 1999 kocht hier Hans Jürg Kurz, im früheren Leben Werber.
«Perfekt», lobte Herr Keck, «das Balti Gosht ist perfekt!» Schon der lauwarme, in Honig marinierte Geisskäse auf Rucola (Fr. 14.50) hatte ihn beglückt.

Das Schweigen der Männer
Ich hatte die Bresaola (Fr. 15.50) aus dem Veltlin bestellt. Das dünn geschnittene Rindfleisch mit dem gehobelten Parmesan und der Balsamico-Kräuter-Vinaigrette schmeckt einfach vorzüglich. Zudem waren meine Agnolotti, also kleine Ravioli, gefüllt mit geschmortem Kalb- und Rindfleisch, einfach umwerfend gut, vor allem mit dem Pariserbrot, mit dem man die Rotwein-Rahmsauce auftupft. Sehr sympathisch ist, dass man die Agnolotti, wie auch andere Pasta-Gerichte, in drei Grössen bestellen kann: Small (Fr. 15.50), Medium (Fr. 24.–) und Large (Fr. 29). Ich nehme meist Medium.
Noch sympathischer ist: Im «Rechberg» spielt keine Musik. Keine Musik! Weder die Vier Jahreszeiten noch esoterischer Pling-Plong. Wie angenehm, wenn man sein eigenes Wort versteht! Daher beschlossen Herr Keck und ich über dem Dessert, den traumhaften Profiteroles an Erdbeer- und Brombeer-Coulis, eigentlich müsste man einen Restaurantführer über die stillen Lokale verfassen. Und danach herrschte Schweigen.

Restaurant «Rechberg», Chorgasse 20 am Predigerplatz, 8001 Zürich, Telefon 044 251 17 60. Geöffnet am Mittag von Dienstag bis Freitag 12 bis 14 Uhr, am Abend von Dienstag bis Sonntag ab 18.30 Uhr. Montag geschlossen. Im Winter sieben Tage geöffnet. www.rechberg.ch.

René Ammann

(René Ammann und Peter Keck essen und trinken jeweils zu zweit, weil es geselliger ist. Einmal schreibt Herr Ammann, dann wieder Herr Keck.)

Gingerchicken
Rezept für 4 Personen:


Zutaten: 4 Pouletbrüstlein, in Streifen geschnitten, 4 kleine Frühlingszwiebeln, gehackt, 4 kleine reife Tomaten, enthäutet und entkernt, in kleine Würfel geschnitten, 4 kleine Knoblauchzehen, fein gehackt. Etwas frischer Ginger, in Streichholz-ähnliche Stäbchen (etwa 40) geschnitten, 2 TL Tomatenmark, 4 TL Thai Sweet-Chili-Sauce, 1 Bund frischen Koriander, ersatzweise Peterli, Majoran, Kerbel.
Zubereitung: Zwiebeln und Knoblauch in Olivenöl andünsten, sämtliche Zutaten auf einmal dazugeben: Pouletstreifen salzen und pfeffern, l Prise Cayenne Pfeffer, Tomatenconcassé und -mark, ein wenig Hühnerbouillon, Ginger und Sweet-Chili-Sauce. Unter leichtem Rühren alles auf kleinem Feuer garen (ca. 5-6 Min.), bis die Pouletstreifen durch, jedoch nicht hart sind. Sauce probieren, ev. nachsalzen. Zum Schluss 4 EL Butter unterziehen und den gehackten Koriander beigeben.
Servieren mit einer auf den Teller gestürzten Tasse Basmatireis, darum herum das Gingerchicken anrichten und, wer es mag, mit fein geschnittenen Chilistreifen garnieren.