Eine Hommage an den Urgrosssvater

Seit der Vertreibung aus dem neugotischen Grieder-Haus am Paradeplatz residiert das Modegeschäft Bongénie mit einem Restaurant auf zwei Etagen an der Bahnhofstrasse 3, vis-à-vis vom Bürkliplatz. Lust auf einen reichhaltigen «Émile Burger» mit Pommes frites fast am See? Nur zu!
Die Dynastie Brunschwig fing 1891 in Genf an, der Seidenfabrikant Adolphe Grieder (1854-1933) 1913 in Zürich. Seit 1972 sind Grieder und Bongénie verbunden. Der jüngste CEO ist Loïc Brunschwig (31). Der Name «Émile» für das dazugehörige zweistöckige Restaurant ist eine Hommage an seinen weltläufigen Urgrossvater, den Sohn des Gründers von Bongénie, ein schöner, fotogener Mann, der in den 1930er-Jahren dem Unternehmen die Eleganz von New Yorker Kaufhäusern wie Saks, Bloomingdale und Lord & Taylor beibrachte. Loïc Brunschwig ist die fünfte Generation der Brunschwigs.
Obere Bahnhofstrasse veredelt
Die obere Bahnhofstrasse verändert sich. Historisch war es trotz der grossartigen Lage am See bis 1891 das «Kratz-Quartier» der Armen, denn die Stadt Zürich entwickelte sich der Limmat und nicht dem See entlang. Erst mit dem Aufkommen der Versicherungen und deren neubarocken Protzbauten am Mythenquai gewann die Gegend an Bedeutung. Heute ist das Haus der Anfang der weltberühmten Bahnhofstrasse, die auch erst mit dem Eisenbahnbau vom «Fröschengraben» zur heutigen Eleganz aufstieg.
Nebenan, im Haus Bahnhofstrasse 1, sind heute eine Zürcher Niederlassung des globalen Kunstkonzerns Hauser & Wirth sowie die Union Bancaire Privée zu Hause. Passt doch genau: Erst Geld verdienen, es dann für schöne Sachen ausgeben und anschliessend im «Émile» eins auf das schöne Leben trinken… Versteht sich, dass Letzteres an dieser Lage nicht billig sein kann!
Einst war dort übrigens der legendäre Red Door Salon mit dem goldenen Knauf von Elizabeth Arden, wo meine Mutter Ende der 1950er-Jahre ihren ersten Lippenstift kaufte, nachdem ihr Gatte und Computerfachmann in Amerika festgestellt hatte, dass sich auch anständige Frauen schminken…
Edles Intérieur
Und jetzt also das «Émile». Natürlich ist reservieren ratsam. Aber wir hatten Glück, trudelten ein und fanden zwei freie Plätze draussen auf der Bahnhofstrasse. Wunderbares Wetter. Und wir bestellten. Der «Émile Burger» schmeckte – und ist eine feine, komplette Mahlzeit. Für die zugehörigen Pommes hätten wir gern ein paar Enkel dabeigehabt. Wir haben geteilt! Teilen mussten wir auch das Lachstatar.
Die Pariser Designerin Sarah Poniatowski von Maison Sarah Lavoine hat das Lokal entlang der Richtlinien der Denkmalpflege elegant designt. Ihre Farben sind Tabak, Petrol und Königsblau. Die Innenräume – sowohl die Bar im Erdgeschoss wie auch das Restaurant im Obergeschoss – wirken mit dem Parkett und edlen Mobiliar sehr gepflegt.
Gute Küche
Küchenchef ist Ludovico de Vivo, der früher im «Château Gütsch» in Luzern seine Kochkünste zelebrierte. Seine Küche ist zeitgenössisch mit mediterranen Akzenten. Exzellente Weine liefert das «Baur au Lac». Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Weinen der Region, die von lokalen Produzenten angeboten werden. Der Eistee ist hausgemacht und mit Pfefferminze dekoriert. Die Bedienung ist aufmerksam, dynamisch und erst noch freundlich.
Schön das Geschirr, edel die Fleischmesser (WAS Germany). Die Preise sind dem Standort und dem Standard angemessen. Die Quiche des Tages kostet 8 Franken, der «Émile Burger» 36, die «Crêpes Suzette Émile» 14, das Lachs-Tatar 28/38, gespritzter Weisser 14, ein Café crème 5.50, ein doppelter Espresso 6.50, ein Affogato 9.50. Der Käseteller des Mellinger Käsepapstes Rolf Beeler ist sowieso ein Hit!
Der Business-Lunch kostet 38 Franken, der Caesar-Salat 30, der Artischockensalat 26, das Hummer-Clubsandwich 36, der Risotto mit Zitronen, Spargel und roten sizilianischen Garnelen 38, das Rinderfilet 56 Franken. Und die Lasagne nach émilianischer Art – wow!
Von Esther Scheidegger
Bar-Restaurant «Émile», Bahnhofstrasse 3, Tel. 058 330 30 92. Geöffnet Montag und Dienstag von 7.30 bis 19 Uhr, Mittwoch bis Samstag von 7.30 bis Mitternacht, das Restaurant im ersten Stock von 11.30 bis 21.30 Uhr.