Sonst tönt die Völle hohl

Lieber Strandläufer, Du hast mir eine Lektion über das Hohle erteilt, jetzt fürchte ich nur noch die über die Hohlheit.

Denn dann kommt der Moment, wo dem Trivialfilosofen die Luft ausgeht. Er verliert plötzlich an Hohlraum und sackt zusammen, was zeigt, wie die Hohlheit eben doch eine Lebensstütze ist. Nur wer vom Hohlen redet, spricht damit gleichzeitig und unablässig vom Vollen. Weil das eine ohne das andere nicht existieren kann. Erst an seiner Grenze wird das Hohle hohl, ohne wäre da nur die Leere.
Woher ich das weiss? Aus der Architekturschule. Dort basteln die zukünftigen Corbusiers an Baukörpern und irgendwann merken sie, dass die hohl sind. Zum Beispiel Zimmer haben oder Waschküchen. Da dämmert ihnen der Zusammenhang: Mit Körpern machen sie Raum, mit dem Vollen umgrenzen sie das Hohle. Aha-Effekt! Sie schauen einen Augenblick lang verträumt auf ihr Modell und geniessen den Erkenntnisgewinn. Es gibt ein Aussen und ein Innen und aus diesem Unterschied macht man Architektur. In ist nicht out, aber nur out ist nicht in. Das besorgen die Bildhauer, die nur die Körper kennen. Wer diese Einsichten nicht schon in den ersten zwei Wochen draus hat, wird zwar auch Diplomarchitekt, aber er arbeitet nicht als Corbusier, sondern bei der Bank. Einige werden auch Kantonsbaumeister.
Das Volle ist nicht die Völle, die der Völlerei folgt, welche eine Todsünde ist. Bist du hingegen voll der Gnade, so fühlst du dich leicht. Von anderem Geist gefüllt, bist du nur voll, was nur eine lässliche Sünde ist, aber mit Geräusch verbunden. Voll Weisheit zu werden, daran arbeite ich. Zwar ist der Stundenplan gefüllt, die Weisheitsschale aber bleibt leer. Hier offenbart sich der Grundwiderspruch aller Pädagogik: Das Füllen führt nicht zum Vollen. Die Fohlen müssen wollen, sonst tönt die Völle hohl. Du merkst, wie sehr hohl und voll zusammengehören.

Mit trivialem Filosofengruss, dein Stadtwanderer