Kein leichter Abschied

Ende August schliesst der Kiosk am Zähringerplatz, Ecke Spitalgasse. Dies bedeutet auch den letzten Arbeitstag für die Geschäftsführerin Martina Calegari.

Sie wolle sich von ihrer geschätzten Kundschaft verabschieden, erklärt Martina Calegari, die den Kiosk am Zähringerplatz seit zwölf Jahren führt. Man merkt, dass es ihr nicht leicht fällt. Hier zu arbeiten war eben mehr als ein Job.
Geschäftiges Treiben herrscht. Fast im Minutentakt kommen die Leute, kaufen Illustrierte, Süssigkeiten, Zigaretten, Telefonkarten oder suchen das grosse Glück mit Lotterielosen. Darunter sind viele Touristen, die Verständigung wird um die Zeichensprache ergänzt, wo Englisch und Französisch nicht weiterhelfen. Kein Problem für die lebendige Martina Calegari, die den Kontakt mit den Menschen sichtlich geniesst. Ein anderer grosser Teil der Kundschaft sind Stammkunden aus der Umgebung. Vertrautes Du ist zu hören. Wer vom nahen Ende nichts wusste, reagiert erschreckt. Andere erkundigen sich nach dem Befinden und sagen, man sehe sich bestimmt noch vorher.
Sie war gerne hier. «Ich liebe die Altstadt», erklärt sie, «und ebenso meine liebe Kundschaft, zum Teil bunte Vögel.» Wobei sie selbst auch kein graues Vögelein ist. Sie lacht bei der Vorstellung. Ihre Aufmachung ist auffällig, etliche ihrer Kleidungsstücke hat sie selbst genäht, ein Hobby von ihr, die früher mal eine Lehre als Retoucheurin gemacht hat.
«Haben Sie vielleicht einen Zahn gefunden?» Eine Dame hat auf dem Weg zum Zahnarzt den herausgebrochenen Zahn möglicherweise hier abgelegt… (Leider nichts dergleichen gefunden.) – Einer ihrer besonderen Kunden, längst ein Freund, ist beispielsweise Jürg Bosshart aus der Nachbarschaft. Seit dem Anfang, seit zwölf Jahren, bringt er Martina jeden Morgen einen Kaffee und ein Gipfeli vom benachbarten «Punto Italiano» und bleibt für einen Schwatz.
Die Kioskbetreiberin Valora strafft ihr Netz, schliesst einige ihrer Kioske. Martina Calegari möchte nicht anderswo in einem Kiosk arbeiten. Das Spezielle, Bunte hier sagt ihr zu. «Ich bin selbst eine spezielle Frau, entspreche dem Bild einer Kioskfrau nicht.» Viel eher will sie hier in der Altstadt eine Stelle suchen, ihr Traum wäre es, in einem Leder- oder Nähatelier zu arbeiten, oder in einer Boutique. Sie liebe, so erklärt sie, «alles, was mit Ästhetik zu tun hat, Dekoration, schöne Farben und Formen, Kunst.»
Ihr letzter Arbeitstag wird am Freitag, 29. August sein. Beim Ausräumen ihres Kiosks, das hat sie sich ausbedungen, wird sie nicht mehr dabei sein. Das ginge ihr zu nah.
Nun hofft sie, dass sich bald wieder eine Türe für sie auftun wird. Und freut sich bis zum letzten Arbeitstag über die vielen Begegnungen und Zeichen der Verbundenheit, die sie täglich erlebt.

Elmar Melliger