Zu Gast im Restaurant «Pier 7»

Tuckern die Bettflaschen Regula oder Felix vorbei, schaukelt es ein Mü. Ansonsten blieben unsere Kulinarier im «Pier 7» unerschütterlich auf dem Ponton am Seebecken.

Herr Keck standen die Haare zu Berge. Das Gläschen Chardonnay-Beaujolais (Fr. 5.50 der Dezi) wars nicht, denn er pries den Weisswein. Es musste am Windstoss beim Gang über den Steg zum Restaurant «Pier 7» gelegen haben oder an der Diskussion der Herren an der Bar, die schon immer und im Kasernenhofton gewusst hatten, wie man die UBS und die Boni hätte retten können und die Welt sowieso.
Auf der Quaibrücke im Hintergrund zog der Abendverkehr vorüber, und auf der Landungsbrücke des «Pier 7» gaben sich Frauen mit Blick auf die Limmat die Kante, während Männer mit Blick auf blonde Frauen in Lackstiefeln und gehäkelten Mini-Kleidern ihren Stutzen ins Boot schoben und Bleifrei 95 tankten. «Schatz, mir sind da a dä Bar», hörte ich eine Frau fröhlich ins Handy rufen, «das heisst, halb under dä Bar!»

Er sitzt auf Rico, ich auf Walter
Ich hatte die Nacht mit Gewürznelken im Gaumen gegen das Zahnweh verbracht und am Nachmittag zwei Stunden auf dem Schragen. Vermutlich war ich wegen der aufgespritzten Backe weniger sensibel und merkte nicht, dass ich auf «Walter» sass, Herr Keck auf «Rico» und die
25 Damen und drei weiteren Herren ebenfalls auf Stühlen, die Namen tragen.
«Wir sind eine geschützte Spezies!» frohlockte Herr Keck angesichts des Damenüberhangs. Weil er sich einen Platz zum Raum hin ergattert hatte, kann ich das nicht bestätigen. Ich löffelte brav meine Spargelcrèmesuppe (Fr. 9.50). Die war tadellos. Den Bonus, dass Michel Keller, der Koch, eine kleinere Küche hat als ich in meiner Zweizimmerwohnung, nicht eingerechnet.
Herr Keck stimmte das Lied vom Koch in der Kombüse an und schaufelte den Riesenberg Salat weg (Fr. 11.50 der gemischte) und lobte die französische Sauce. Dann erzählte er von einem Redner in seiner Zunft, der am Sechseläuten geschlagene 40 Minuten geredet habe statt der vorgegebenen zehn, worauf ich annahm, dass vor lauter Hunger und Langeweile jedes hinterletzte Häutchen am Nagelbett weggezupft worden war. Das «Pier 7» dürfte das Gegenteil sein. Lebhaft, lustig, unkompliziert und irgendwie selbstbewusst und selbstironisch.

Der Egli und Herr Hess
TomTom alias Tom alias Thomas Müller, der aufmerksame Chef de Service, brachte mir die Egli-Knusperli mit Tatar-Sauce und Salzkartoffeln (zu gnädigen Fr. 30.50). Die waren prächtig. Was Herr Keck ass, habe ich vergessen, was wohl meiner Kiefernarkose zuzuschreiben ist. Jedenfalls sagte er einmal: «Das Dekor sieht aus wie ein Rettungsring! Sehr hübsch!» Er hatte recht, wie meist: In einer Gurkenscheibe steckte ein Tomätchen, im Tomätchen ein Stück Spargel. Also Grün, Rot, Weiss. Herrn Keck zuliebe waren wir auf einen Roten umgestiegen, den «Colomé» von Donald Hess. TomTom sagte, die Reben wüchsen auf über 3000 Meter und wären die höchstgelegenen Weinberge Argentiniens. Die Kraft der Höhe war noch im tiefer gelegenen Zürich spürbar.

Und das meint Herr Keck
Die Apéro-Frauen waren zu ihren Ehemännern gefahren, eine weitere Damen-Combo übernahm ihre Plätze, und Susanne Spiess kam auf einen Schluck zu uns. Frau Spiess ist Zürcher Oberländerin, seit acht Jahren dabei, erst im Büro, dann als Chefin des «Pier 7», und eigentlich begann sie ihre Karriere als Psychiatrieschwester, wie sie erzählte. Eine Kombination, die in jedem Restaurant von grösstem Vorteil sein dürfte!
Meine Aufzeichnungen jenes Abends sind etwas lückenhaft, daher die Beobachtungen meines bedeutsamen Gegenübers, die er mir per Mail schickte. «Also der Besuch im ‹Pier 7› war meines Erachtens ein voller Erfolg. Alles stimmte, das Essen war gut, das Personal sehr freundlich, der Wein frisch und mundig. Schön auch die weissen Tischtücher und die grossen Servietten (für meinen Rumpf). Nicht rauchfrei, ein Seemann muss rauchen. Und übrigens betreut Emil der Schiffsjunge die Bootsvermietung.»

Enten füttern
Geblieben ist mir noch, dass drei Visitenkarten im Schatzkästchen lagen statt dem Conto: «Die Rechnung ist offeriert! Ich hoffe, Sie bald wieder begrüssen zu dürfen.» Wofür Herr Keck und ich uns herzlich bedanken. Und dann: Wie ich mit einem Stücklein Brot winkte und die Enten füttern wollte, die in der Limmat erwartungsvoll mit dem Bürzel wackelten. Da sagte Herr Keck mit sehr breitem und sehr sattem Lächeln: «Oh, die Türe ist zu. Neiaberau, wie schaaaade!»

René Ammann

Restaurant «Pier 7», Limmatquai 7, 8001 Zürich. Reservationen unter Tel. 044 261 70 55 oder via restaurant@pier7.ch (bitte nicht kurzfristig). Offen ab ca. Mitte März bis August jeweils Dienstag bis Sonntag von 16 bis 24 Uhr und September bis Dezember von Dienstag bis Freitag 16 bis 24 Uhr. www.pier7.ch.

*René Ammann und Peter Keck essen und trinken jeweils zu zweit, weil es geselliger ist. Einmal schreibt Herr Keck, dann wieder Herr Ammann.