Zu Gast im restaurant Strozzis

Diesmal sassen unsere beiden Kulinarier unterm Sonnenschirm in einem Garten beim Paradeplatz (jaja, das gibts!). Im Glas funkelte Weisswein, die Sonne schien, die Frisur hielt, da hob Herr Keck die linke Braue.

Herr Keck hatte das kurzärmlige Weisse montiert, ich die Hemdsärmel hoch gerollt. Es war angenehm warm, fast schon schwül im Zentralhof beim Paradeplatz. Umso kühler unser Wein, ein Chardonnay (Fr. 7.50 der Dezi) aus dem Friaul. Den ich zu meiner Schande als Pinot Grigio identifiziert hatte. Und das, obwohl der nette Herr Keck jüngst fand, ich verstünde etwas von Wein.

Rucolaaaa!
Ich konnte mich bloss retten mit dem Satz: «Äh, dann halt ein atypischer Chardonnay… äh, also auf den zweiten Schluck…, äh, das müssen die Linden gewesen sein.» – «Das sind keine Linden!» – «So? Keine Linden? Was sind denn das für Bäume?» Sie sehen, es war mir äusserst peinlich.
So wandten wir uns dem Salat zu. «Frisch ist er, gut ist er», sagte Herr Keck über den Teller voller knackigem grünem Salat samt Rucolaaa! und Tomätli. «Bin ich froh, wurden wir nicht gefragt: Wänzi Frentsch Dressing oder Itälien?» Er tunkte das letzte Stücklein Brot in die Sauce, da stürzte eine Kolonie Spatzen im Sturzflug auf den Nebentisch zu und machte sich über die Reste her, die ein junges Pärchen übrig gelassen hatte. (Verliebte leben bekanntlich von Luft.)

Herr Keck zwitschert
Herr Keck hackte den Finger aufs Tischblatt. Seine Methode, Tauben und Spatzen zu vertreiben. «In der ‹Kantorei› klauen sie sogar die Nüssli», klagte er. «Kei Brot für d’ Börds», sagte ich betrübt auf Neudeutsch und besah mir das leere Brotkörbchen. «Gottseidank», sagte Herr Keck, «ich zwitschere jetzt noch ein Glas Roten!» (Es war der Volpe Pasini aus dem Veneto, zu Fr. 8.50 der Dezi.) Dann war es Zeit für ein paar Geschichten. Wo wir gerade sassen, befand sich früher das Chratz-Quartier, erzählte Herr Keck.
Vor der Begradigung der Fraumünsterstrasse, die damals noch nicht so hiess, also etwa dort, wo sich das «Strozzi’s» befinde, sei hinter dem Stadthaus das Haus des Stadtschreibers gestanden und seiner Frau – Johanna Spyri, der Erfinderin von Heidi.

Pizza und «iPhone»
Beeindruckt von solcherlei Prominenz, fragte ich Herrn Siebengscheit, noch immer beleidigt von meinem Faux-pas beim Weisswein: «Und was sind das für Bäume? Hm? Und der Busch dort? Hm??» Herr Keck wusste es nicht, auch Davide Te Nuzzo nicht. Er ist seit Februar Capitano. Ein aufmerksamer junger Mann (28 Lenze), der frisch von der Leber erzählte: Aufgewachsen in Chur, Hotelfach in Lecce (Italien), dann im Hotel «Derby» in Davos, Chef de Rang im «Ermitage» in Küsnacht und nach weiteren Stationen schliesslich Capo im «Strozzi’s» Fraumünster.
Herr Te Nuzzo brachte uns die Pizza. Jedem eine Margharita (zu Fr. 17.–), für Herrn Keck, der die Braue hob, als er die Grösse sah, mit dem Hinweis: «Das ässezi scho!» Aus Überzeugung, dass die Pizza so gut ist. Tatsächlich assen wir beide das krosse dünne Teil. «Ich hätte nie gedacht, dass ich die fertig essen kann», meinte Herr Keck.

Rotdorn und Buchsbaum
Einen allerletzten winzig kleinen Rest wollte ich den Spatzen geben. Ich drehte mich zu ihnen – und währenddessen muss einer dieser Spassvögel den Schliessmuskel auf dem Ast über uns gelockert haben. Mein «iPhone» war jedenfalls markiert. «Ganz rächt!», lachte Herr Keck, «also das freut mich! Das freut mich jetzt ungemein!»
Ein paar Tage später hatte Herr Siebengscheit das Rätsel gelöst. Er schickte mir das E-Mail weiter. «Bei den beiden Gehölzen im Zentralhof handelt es sich um: 1. Echter Rotdorn. 2. Buchsbäume der Sorte Buxus sempervirens ‹Rotundifolia›. Freundliche Grüsse, Lukas Handschin, Leiter Kommunikation Grün Stadt Zürich.»

René Ammann*


Restaurant «Strozzi’s», Fraumünsterstrasse 25,
8001 Zürich, Tel. 044 212 70 90.
Offen Montag bis Freitag 7 bis 23 Uhr, Samstag 8 bis 23 Uhr, Sonntag 10 bis 18 Uhr
www.strozzis.ch.

*René Ammann und Peter Keck essen und trinken jeweils zu zweit, weil es geselliger ist. Einmal schreibt Herr Keck, dann wieder Herr Ammann.