Schiff ahoi im Oberdorf

Jakob Kriesi restauriert in Herrliberg, ausgestellt aber wird im Oberdorf. Seine historischen Modellschiffe und «die alten Tische der ­Zukunft» des Tischbauers Dölf Bachmann sind eine sehenswerte Symbiose eingegangen. Das GZ ­Altstadthaus lud zum Werkstatt­besuch.

Vor allem Männer haben sich eingefunden, jeden Alters, also auch zwei kleine Jungs, noch blättern sie eifrig in den Fotodokumentationen, die uns Jakob Kriesi bereitgelegt hat. ­Alle fühlen sich sichtlich wohl so, umgeben von alten Tischen, auf denen stolze Schiffe im Kleinformat ausgestellt sind. Ein Modell der «Victory» ist da zu sehen, auf der einst Admiral Nelson den Sieg gegen die Franzosen und die spanische Seemacht errang. Das grosse Handelsschiff «Serena del Mare», mit dem italienische Seefahrer ­Waren aus dem Orient heimbrachten. Oder ein dänischer Krabben­kutter samt Netzen zum Beispiel, unbekannten Alters, aus Eiche, wie er schon seit Jahrhunderten gebaut wird. Inmitten seiner Schätze hat sich Jakob Kriesi postiert, begrüsst nun alle freundlich, stellt sich kurz vor und beginnt zu erzählen. Mit ausladender Geste weist er auf seine Prachtsbauten hin: «Ihr glaubt nicht, wo ich überall schon die kostbarsten Schiffe gefunden habe. Auf alten Feuerwehrschläuchen in einer Garage, und aus einer Mulde hab ich auch schon welche herausgefischt.» Die Leute, die sich ihrer Schiffe auf diese Weise entledigten, hatten wohl keine Ahnung von ihrem Wert. Sammler waren es bestimmt keine, obwohl es deren viele gibt. Seit den Anfängen des Modellschiffbaus wird mit Leidenschaft gesammelt.
Je seltener das Modell, je besser ­Zustand oder Qualität der Restauration, desto höher sein Wert.

Herr über 100 Schiffe
Oft sind Jakob Kriesis Trouvaillen in einem miserablen Zustand. «Fauliges Holz, schimmlige Segel, Kerzenwachs auf dem Deck und Ziga­rettenasche in den Rettungsbooten, alles hab ich schon erlebt.» Im Bug des Handelsschiffs «Serena» aus dem 17. Jahrhundert hatten sich ­sogar Mäuse eingenistet, die unter Deck die Mini-Vorhänge anknabberten und die kleinen Tischtücherchen auffrassen. Gemerkt hat das ­Jakob Kriesi erst, als seine Katze ­immer um das neu erworbene Schiff herumschlich, die Ohren spitzte und ihren Schnurrbart aktivierte. Da mussten die ungebetenen Gäste wohl oder übel ihren Unterschlupf verlassen, und Jakob Kriesi begann mit der Restauration. Heute wird das ­13-Kilo-Schiff auf 18 000 Euro geschätzt. «Mit Sammeln und Res­taurieren hab ich schon begonnen, als ich noch Unternehmer und Beleuchter war. Es war immer mein Hobby. Heute habe ich über 100 Schiffe zu Hause, und meiner Frau muss ich bei jedem Zuwachs versprechen, dass das nun der letzte ist.» Beim Restaurieren eines ­Modells bemüht sich Jakob Kriesi darum, mit Originalhölzern zu arbeiten und dem ursprünglichen Aussehen des historischen Schiffs möglichst gerecht zu werden. «Manche Restaurateure besuchen Schifffahrtsmuseen, kopieren die Pläne der originalen Schiffe und bilden bis zum hintersten und letzten Detail alles minutiös nach. Das kann lange dauern.» Der in der Szene berühmte Restaurateur Enrico Bernasconi hat über Jahre und Jahrzehnte nie locker gelassen, er war ein Meister auch des Anstrichs und der Farbgebung.

Meuterer und Schutzheilige
Jakob Kriesi versteht es, die Besucher zu fesseln. Er berichtet von der Zeit der grossen Seefahrten, vom ­damaligen Leben auf den Schiffen, von den Strafen bei versuchter Meuterei: «Den Übeltätern drohte zum Beispiel das Kielziehen. Sie wurden an ein Seil gebunden, auf der einen Seite ins Wasser geworfen und von der anderen Seite her unter dem ­fahrenden Schiff durchgezogen.» Die Jungs haben aufgehört, in den Fotobüchern zu blättern und horchen auf: «Tat das nicht weh?» ­«Sicher doch», verspricht Jakob Kriesi, «und wenn man sie wieder hinaufzog, war nicht mehr viel dran.» Gross sind ihre Augen, als die Jungs nach weiteren Details bohren: ­«Warum?» Auch darüber weiss Jakob Kriesi Bescheid: «Von den Muscheln am Schiff wurden sie zerschnitten, dann besorgten die Haifische den Rest.» Aber Jakob Kriesi hat auch ­poetische Geschichten zu erzählen, wie jene von der Entstehung der Votiv-Modellschiffe. Bevor die Schiffe ausliefen, ging die Besatzung in die Kirche am Hafen. Sie baten Gott und die Heiligen, sie zu schützen und sie vor Seenot zu bewahren. Falls die Seeleute unversehrt zurückkehrten, schenkten sie den Schutzheiligen ein Votiv-Schiff, das in der Kirche erhöht aufgehängt wurde. Deswegen sind seine Proportionen noch unstimmiger als bei manch gewöhn­lichem Modellschiff, da die Perspektive des Betrachters eine andere ist.

Geschenke unter Königen
«Setzen Sie Ihre Schiffe manchmal ins Wasser?» fragt ein Besucher zum Schluss. Nein, die gehörten am besten in die Vitrine. Nicht nur die prunkvollen, unerschwinglichen Modellschiffe, mit denen sich früher die Könige untereinander beschenkten. Mit jedem seiner Schiffe geht ­Jakob Kriesi sorgfältig um und meidet das Wasser. Keines kommt auf den Zürichsee – keines, bis auf eines: sein grösstes, sein richtiges, sein Segelboot.

Die historischen Modellschiffe können mittwochs von 11 bis 15 Uhr, freitags von 16 bis 20 Uhr und samstags von 15 bis 19 Uhr bei Bachmann an der Oberdorfstrasse 17 besichtigt werden.

Nadia Ghidoli