«Wir sind die Marke!»

Das GZ Altstadthaus lud zum Werkstattbesuch bei Simons Optik an der Stüssihofstatt. Die Gäste erfuhren einiges über das Metier, erhielten sozusagen einen klaren Einblick.

Es ist an einem der ersten warmen Abende. Die Tür ist weit geöffnet, als wir eintreten, in ein sanft renoviertes Herrschaftshaus aus dem 12./13. Jahrhundert, mit grosszügigen Räumen und Stuckaturen. Am schönen alten langen Tisch ist das Team schon versammelt, Simon Zucker, der Inhaber, Sarah Hess, die schon die Lehre hier gemacht hat, und Ilaria Critelli, die Stiftin; allen sitzt eine erlesene Brille auf der Nase.

Showroom inmitten alter Pracht
Wir setzen uns zu ihnen und lassen bewundernd den Blick durch den Raum schweifen. «Die Einrichtung stammt von mir», sagt Zucker, als wir danach fragen. Alles stilvoll, geschmackvoll, alles passt: Der Kronleuchter oberhalb des Tisches unterstreicht die Würde des Raums, die Wandleuchte nimmt die schwarze Zeichnung der denkmalgeschützten Mauer auf, der Anstrich wirkt warm und weich im einfallenden Licht. Die kunstvollen Gestelle an den Wänden, auf denen die Brillen aufgereiht sind, natürlich und elegant. Wie ist er zu diesem wunderbaren Lokal gekommen? «Ich habe die Räume im Umbau gesehen und mich erkundigt, ob sie noch frei seien. Es gab viele Anfragen, aber die Besitzer wollten eine Ergänzung zum bestehenden Kleider- und Schuhgewerbe, obschon es wohl einträglicher ist.» Das Geschäft an der Stüssihofstatt ist nicht sein erstes in der Altstadt. 1987 zog er an die Untere Zäune, von 1992 an war er an der Oberen. Als dann die beiden Boutiquen und Krauthammer die Obere Zäune verliessen, hatte er weniger Laufkundschaft, und so wechselte er 2001 an die Stüssihofstatt. «Hier haben wir immer Volk im Laden.»

Kleine Manufakturen
Manche entscheiden sich spontan, eine Sonnenbrille zu kaufen oder bringen ihre Brille vorbei, weil sie soeben kaputt gegangen ist. Die Stammkundschaft macht aber noch immer den grösseren Teil der Klientel aus. Einer Klientel, die auf Qualität, Exklusivität und kleine Manufakturen setzt. Auf langlebige Produkte, erstklassige Beratung und ausgezeichneten Service. Das ist das Besondere seiner Philosophie, seines Sortiments. «Wichtig ist unsere Arbeit, unsere Auswahl. Nicht die grossen Marken. Wir sind die Marke! Natürlich führen wir auch Modelle grosser Namen, die sich gut verkaufen – wenn sie zum Sortiment passen.» Zum Sortiment von Zuckers Horn-, Kunststoff- und Metallbrillen. «Diese Hornbrille ist ein Schweizer Manufakt», präsentiert uns Sarah Hess dann ein Modell aus Simons Sortiment. «Unsere Hornbrillen werden aus dem Horn von Wasserbüffeln oder der Kaschmirziege gefertigt. In regelmässigen Schichten wird das Horn abgetragen, aufeinander gelegt und gepresst, so dass die ganze Brille aus dem gleichen Stück stammt, auch die Bügel. Schaut!» Und tatsächlich, beim Stück Horn, das sie uns zeigt und aus dem später eine Brille wird, sind im Querschnitt viele verschiedene Lagen sichtbar.

Es riecht nach Knoblibrot
Um die Maschinen in der Werkstatt zu erklären, hält Zucker sodann ein heute verkauftes Kunststoffgestell unter das Erfassungsgerät. Dieses tastet in Sekundenschnelle elektronisch die Brillenfassung ab und zeigt auf dem Display die Form, die das Glas aufweisen muss. Zucker tippt die beim Kunden gemessenen Daten für Sehleistung, Bügellänge und optischen Mittelpunkt ein und gibt ihm an, aus welchem Material die Gläser sind. Gläser einlegen, und schon sind sie so gut wie geschnitten. «Heute gibt es ausgeklügelte Elektronik und vollautomatische Geräte. Das Handwerk verliert an Bedeutung», kommentiert Zucker seine Eingaben. «Ein Optiker war ursprünglich vor allem ein Handwerker.» Und Handwerker wollte er auch werden, Metallschlosser oder Automechaniker. Aber der Berufsberater schlug ihm Schriftenmaler oder Optiker vor, weil er so ein filigraner sei. Zucker macht nun mit dem Schleifapparat den groben Schliff der Fassetten. Da beginnt es plötzlich nach Knoblibrot zu riechen. «Das ist ganz normal. Wir werden öfters von den Kunden gefragt, ob wir hier auch kochen», schmunzelt er. Bald sind die Gläser bereit für den Feinschliff. Den macht er mit dem Handschleifgerät. Wäre die Brille aus Horn, so käme sie nun in die Poliermaschine, erst grob, dann auf Wunsch auch fein, für die Vollglanzpolitur. Die Kunststoffbrille braucht das nicht. Also kann das Gestell schon weiter zum nächsten Schritt. Zucker hält es unter einen Föhn, damit er die Gläser besser einsetzen kann. Und fertig ist die neue Brille! Den Kunden wirds freuen.

Nadia Ghidoli