Gift und Glück in Zürich 1548

Der Buchtipp: René Ammann nimmt den historischen Roman «Hüerepeiss und Schlangenfrass» aus dem mittelalterlichen Zürich von Ria Frick unter die Lupe.

Eines Morgens macht sich Verena Pfister auf den Weg nach Zürich mit seiner Ringmauer und seinem atemberaubenden Gestank. In der Stadt kippt, wer nicht direkt am See oder an der Limmat wohnt, den vollen Nachttopf mit Schwung auf die Gasse oder in den Ehgraben. Verena geht durchs Neumarkttor in die Mehrere Stadt, also ins Niederdorf, zur Limmat hinab. Sie sucht einen Aal, um daraus ein Gericht zu kochen, von dem ihr Mann nicht mehr aufstehen wird und die Hand weder gegen sie noch gegen ihre Tochter erheben kann. Doch das Gift wirkt nicht, Verena schmort bald im Gefängnis Wellenberg und wartet auf ihr Urteil. – Der Kampf der Mutter für ihr Kind steht im Zentrum des historischen Romans, dem ersten Roman von Ria Frick, einer 1960 geborenen «Psychiatriefachfrau» aus Zürich-Unterstrass. Ebendort nimmt Fricks Drama seinen Anfang, im Jahr 1548. Unterstrass gehört zu den Vier Wachten – wie Hottingen, Fluntern und Oberstrass.
Der Plot scheint auf den ersten Blick angelegt, als wolle die Autorin politisch korrekt vorab dem Feminismus Genüge tun. Dem ist nicht so, ihr Buch erweist sich als kraftvolle und elegant komponierte Geschichte im Zürich des Mittelalters, in dem die Frauen nicht grundsätzlich gut und die Männer nicht grundsätzlich schlecht sind. Frick führt den Leser mit sicherer Hand, ob durch den Rindermarkt zum Schlachthof, zu den Gerbern am unteren und oberen Mülisteig oder durch die Seelennöte ihrer Figuren. Der Spannungsbogen hält, die Autorin beherrscht die Sprache, und ihre Figuren haben Körper, Geist und Seele.
Ein guter Plot und Schilderungen, die en passant den Blick auf ihre aufwendigen Recherchen freilegen, kurz, ein gelungenes, empfehlenswertes Buch. Da nimmt der Leser hin, dass Frick ab und zu unfreiwillig Groteskes erzeugt wie beim Junggesellen Bernhard. Der Bernhard nämlich, der geht, «wenn sich seine Manneskraft wieder einmal gar zu unflätig bemerkbar machte», zur Kathrin, «die für jeden Mann, der an ihre schiefe Türe klopfte, nicht nur ein offenes Ohr bereithielt». Am guten Ende findet auch der gute Bernhard eine gute Frau – und gründet mit ihr eine Patchwork-Familie.

René Ammann

Ria Frick: «Hüerepeiss und Schlangenfrass». Edition Hartmann AutorInnenverlag, 391 Seiten, 34 Franken.