Cobras, Hunde und Humpapa

Eine derart lange Geschichte wie das «Zunfthaus zum Rüden» hat kaum ein Lokal vorzuweisen – nicht einmal in der Altstadt. Unsere beiden Kulinarier setzten sich unter die Arkaden und liessen es sich gut gehen.

Zuvor hatte sie Bach gespielt, die Humpapa-Kapelle auf der Gemüsebrücke, jetzt war sie bei «Smoke on the Water». Die Melodie musste man sich zwar zusammenklauben: «Tröööt-tröt-tröt-tröööt-trööt – tröttröttröttröt!» Herr Keck, in hellblauem Hemd und im Pied-de-Poule-Jackett, drehte die Augen zum Himmel. Das Gerumpel des Abfalltrams zerschnitt unsere Konversation, die begonnen hatte mit: «Warum spielt eine Blaskapelle Bach, statt…» – «Also dagegen ist das Cobra nun wirklich leise», meinte Herr Keck.
Munter sprachen wir dem Saint-Saphorin zu, einem «Les Blassinges» zu Fr. 6.50 der Dezi, und spielten mit den Serviettenringen aus Papier. Die sind im selben Dunkelrot gehalten wie die Tapete. Wobei wir ja draussen sassen, Herr Keck und ich, mit Blick auf die Limmat, das Zunfthaus zur Meisen und St. Peter, neben uns das Zunfthaus zur Zimmerleuten, das am Anfang Oktober den Betrieb wieder aufnehmen wird. Vorläufig ist es noch durch Zäune geschützt, aber man sieht das neue Dach und die neue Fassade, und in Gedanken würdigte ich den Feuerwehrmann, der in der Nacht vom 14. auf den 15. November 2007 sein Leben liess, als das Gebäude ausbrannte.

Kameras, Krähen, Knurren
Seit September 2004 herrscht am Limmatquai Fahrverbot, 30 Millionen Franken kosteten Umbauten und Pflastersteine aus Vietnam. Willi Gloor, seit Jahrzehnten Wirt im «Rüden», eröffnete kurz nach dem Umbau unter den Bögen seinen Boulevard. Wenige Fussgänger ziehen vorüber, ein paar Touristen mit Kameras gucken sich die Karte an, zwei junge Frauen krähen in ihr Handy, ein Mann kramt in der Tasche nach Zigaretten. «Das Limmatquai», sagt Herr Gloor überraschenderweise, «ist keine Passantenlage.» Es habe durchaus Leute, aber die meisten flanierten über die Nieder- und Oberdorfstrasse. Die Kapelle blies «Dancing Queen».
Vieles gibt es zu erzählen über das Haus zum Rüden. Dass es direkt am Fluss stand. Dass die Äbtissin des Fraumünsterstifts dort Münzen schlagen liess, als es noch ein kleiner Holzbau war. Dass einzelne Holzbalken 800 Jahre alt sind. Dass im «Rüden» die Gesellschaft zur Constaffel residiert und ihren Mitgliedern im 14. Jahrhundert das Jagdrecht verliehen wurde und damit das Recht zum Halten grosser Hunde. Dass darum ein Rüde im Wappen der Constaffler knurrt. Dass das Tonnengewölbe im «Gotischen Saal», erbaut 1348, einst eine Trinkstube war und Ratssaal für 200 Männer.

Freundschaftliche Preise
Oder dass Herr Gloor, der Wirt, auf Anfang Mai 2010 die «Rüden-Bar» eröffnete und auf den roten Lederbänken mit dunkler Holztheke «garantiert noch niemand geraucht» habe, wie die NZZ jubelte. Ob Tourist oder Raucher oder beides: Der «Rüden» ist unkompliziert, «99 Prozent unserer Gäste tragen eh keine Flip-Flops», sagt Herr Gloor. Und die Raucher setzen sich in den Boulevard und bestellen ein Zürigschnätzlets. Aus Kalbsfilet, zu Fr. 39.–, goldgelb gebratene Rösti inklusive. Beides war so fein, dass kein Krümel übrig blieb. Die Preise sind ausserordentlich kundenfreundlich. «Das freut mich, dass das notiert wird», sagt Herr Gloor.
Auch Herr Keck war mit seinem Vitello tonnato mit Kapern und Sardellen (Fr. 24.–) glücklich und mit seinem Fleurie Domaine Chante Colin 2005 (Fr. 6.– der Dezi) fast noch glücklicher, wie mir schien, denn er bestellte ein weiteres Glas. Die Karte ist klein, aber gut: Täglich Fleisch, Fisch und Vegi – und, wenn möglich, alles in Portionen für Heisshungrige wie auch solche, die bei heissem Wetter weniger essen mögen. Wie man das aus der Stadt Zürich kennt, ist nach dem Umbau immer vor dem Umbau. So auch im «Rüden». Der Eingang wird erneuert, um den Gästen die Schwellenangst zu nehmen: Lokale im ersten oder gar zweiten Stock haben es schwieriger als solche, die parterre liegen. Einen Passe gibts keinen, und so steigen die Kellner – die für einen erstklassigen Service besorgt sind – die Treppen zur Küche und wieder hinab. Darum sind sie vermutlich so rank und schlank. Die Kapelle war bei «Money, Money, Money» angelangt, und Herr Keck summte: «C’est la vie, c’est la vie…»

René Ammann*


Zunfthaus zum Rüden, Limmatquai 42, 8001 Zürich, Tel. 044 261 95 66, www.hauszumrueden.ch.
Geöffnet täglich ausser Sonntag von 10 bis 24 Uhr. Boulevard von Mai bis Oktober.

*René Ammann und Peter Keck essen und trinken jeweils zu zweit, weil es geselliger ist. Einmal schreibt Herr Ammann, dann wieder Herr Keck.