Zu Gast im Restaurant «Vis-à-vis»

Unsere beiden Kulinarier wagten den Sprung über die Bahnhofstrasse, weg vom Vergnügungsviertel, sind dort eingekehrt und haben es nicht bereut.

Es gibt Leute, die meinen, westlich der Bahnhofstrasse sei Niemandsland, ausser Geld gäbe es da nichts zu holen und auch das nicht immer. Kulinarisch schon gar nicht, sieht man vom «Kaufleuten» ab. Aber sie irren sich, die Leute, denn es gibt mindestens eine Oase, ein Restaurant mit allen Attributen, die es empfehlenswert machen, als da sind: beste Küche, feine Weine, freundliche Bedienung und französischer Charme. Herr Ammann und ich besuchten das Bistrot «Vis-à-vis» an der Talstrasse, Nähe Paradeplatz, und es gefiel uns sehr.

Charmante Geschäftsführerin
Das hat zunächst damit zu tun, dass wir von der Geschäftsführerin Irma Crandall sehr nett empfangen wurden. Obwohl drinnen ein Tisch am offenen Fenster fein gedeckt war, mussten wir nach draussen zügeln. Herr Ammann will die Tabakindustrie in jeder nur möglichen Weise unterstützen. Da hier im Gegensatz zum letzten Besuch am Limmatquai keine Trams fahren, hatte ich nichts dagegen.
Der Wein, ein kühler Sancerre
2008, Sauvignon blanc, von Monsieur Pierre Archambault (Fr. 8.50 pro Deziliter) wurde uns nachgetragen. – Ein «Salade niçoise» eröffnete für mich den kulinarischen Reigen. Er war ausgezeichnet, allerdings nicht ganz «niçoisisch», einerseits ohne Sardellen, andererseits mit ganz leckeren Thunfischmedaillons (kleine Portion Fr. 19.–). «Saumon fumé» mit einer Guacamolesauce erfreute Herrn Ammann (und mich mit meiner Gabel, die gut über den Tisch reichte) sehr (kleine Portion Fr. 21.–). Er hatte an diesem Tag viel gearbeitet und genoss es, sich etwas verwöhnen zu lassen, zumal im Lachs viele Energiestoffe stecken. Und es waren rechte Portionen. Die Speisekarte gibt sich französisch mit deutschen Übersetzungen, eine Tageskarte mit Gerichten von Fr. 18.– bis 31.– am Tag unseres Besuchs ergänzt das leckere Angebot.

Sehr erfreuliche Genüsse
Doch noch etwas hungrig, ging es weiter für Herrn Ammann mit einer «Saucisse de veau aux pommes allumettes», wobei die Zwiebelsauce auf Wunsch separat serviert wird (Fr. 26.–). Auch hier war Zufriedenheit zu beobachten, während mein «Paillard de veau aux artichauts» auch keine Wünsche offen liess. Zart und nicht zu klein, es wird eingerollt, damit es auf dem Teller Platz hat, erfreute es mich zutiefst. Auch der dazu gereichte Kartoffelstock war wunderbar (Fr. 44.–).
Schon vor einiger Zeit hatte ich zu einem Merlot, Pays d’Oc 2007, Domaine de la Jasse d’Isnard (dl zu Fr. 7.50) gewechselt. Zum allgemeinen Verständnis: Wenn wir die Deziliter-Preise angeben, heisst das nicht, dass wir nur einen Deziliter probiert hätten, nach nur einem würden wir uns kein Urteil erlauben. Jedoch, beide Weine waren sehr gut, angenehm kräftig und mit gutem Abgang. Andererseits trinken wir auch nicht zu viel, damit auch wir einen guten Abgang haben.

Gegenüber wovon?
Warum das Restaurant «Vis-à-vis» heisst, weiss niemand mehr so recht, denn vis-à-vis ist eigentlich nur ein Park mit schönen Bäumen, genannt Basteiplatz. Sieht man vom Park aus, ist das Restaurant natürlich vis-à-vis. Das Ganze gehört zur Candrian-Catering-Gruppe und die Oberleitung liegt bei Patrick Candrian. Irma Crandall, die charmante Geschäftsführerin, kommt ursprünglich nicht aus der Gastronomie, was Herr Ammann sofort merkte, denn sie strahlt fröhlich und zufrieden in die Welt, was laut Herr Ammann bei den wenigsten «echten» Wirtsleuten der Fall sei. Sie war allerdings auch schon Geburtshelferin beim «Al Leone» von Kisci Donatsch an der Bahnhofstrasse in der Bank Leu. Zudem fliesst auch in ihren Adern zur Hälfte Tessinerblut, was die Fröhlichkeit betrifft. Sie lobte aber auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor allem den Chef de Cuisine, Martin Skowronek. Dem Lob können wir uns anschliessen.
Tagsüber ist das Restaurant mehr oder weniger fest in Bankershand, wobei auch Handwerker in Überkleidern oder «ganz normale» Menschen anzutreffen sind. Das Lokal öffnet die Türen um 6.15 Uhr, was wiederum eine andere Kundschaft anzieht. Dann gibt es einige Stammtische mit alten Herren und junge und ältere Stammgäste. So zum Beispiel seit Jahren jeden Mittwochmorgen der berühmte Komponist und Pianist Boris Mersson mit Gefolge.
Mittags ist Reservation zu empfehlen, abends hat es meist noch Platz. Innen hat es 140 Plätze, im Sommer auf der Terrasse 60.

Peter Keck*

Bistrot-Bar «Vis-à-vis», Talstrasse 40, 8001 Zürich, Tel. 044 211 73 10. Offen Montag bis Freitag 6.15 bis 23 Uhr. Ab 1. September am Samstag von 11 bis 22 Uhr.

*Peter Keck und René Ammann essen und trinken jeweils zu zweit, weil es geselliger ist. Einmal schreibt Herr Ammann, dann wieder Herr Keck.