Fussball und Cappuccino
Zwei anstehende Konfirmanden berichten vom Konflager, das von der Kirchgemeinde Grossmünster seit Jahren in Sizilien organisiert wird.
Mit dem besten Cappuccino der Welt sitzen wir im «Mira Mare» beim Hafen von Scoglitti, einem kleinen Ort an der Südküste von Sizilien, und beobachten das Treiben der Einheimischen. Die älteren Herren sitzen auf weissen Plastikstühlen entlang den Hauswänden und diskutieren über dies und jenes, und die jungen demonstrieren den gleichaltrigen Frauen ihre Töfflikünste. So herrscht geschäftiges Leben auf den Strassen und Plätzen. Wegen einer eher radikalen Parteirede, welche mit Hilfe von sich überschlagenden Lautsprecherboxen alles übertönt, ziehen wir uns unfreiwillig in unser etwas abgelegenes Ferienlagerhaus «Adelfia» zurück, das der Waldensergemeinde von Riesi (Sizilien) gehört und jedes Jahr von der Grossmünstergemeinde gemietet wird.
Wie jeden Frühling begleiten wir – die Angehörigen des Jugendtreffs Grossmünster – die diesjährigen Konfirmanden ins Konflager nach Sizilien. Diese bereiten sich hier gemeinsam mit dem Grossmünsterpfarrer und FCZ-Fan Christoph Sigrist auf ihre Konfirmationsfeier am Pfingstsonntag vor.
Dieses Jahr beschäftigen sie sich mit dem Begriff der «Räume». Was haben Räume für eine Bedeutung? Welche Schwellen haben die Konfirmanden in ihrem Leben zu überwinden oder welche haben sie schon überschritten? Welches Fundament ist das beste, um sein Leben darauf aufzubauen? Solche Fragen diskutieren die Konfirmanden untereinander und versuchen in vier Gruppen aufgeteilt, die verschiedenen Themen auf unterschiedliche Arten, mit Texten, einem szenischen Dialog, mit gestalterischen Mitteln oder einer musikalischen Darbietung in eine Form umzusetzen, deren Endergebnis an der Konfirmation präsentiert werden kann.
Natürlich beschränkt sich das Programm des Konflagers nicht nur auf dieses eine Thema, wie ein Blick auf den üblichen Tagesablauf zeigt: Beim Tageseinstieg nach dem Frühstück führt uns Christoph Sigrist ins jeweilige Motto des Tages ein und vermittelt uns die notwendigen Denkanstösse, die dann im Verlauf des Morgens in den vier genannten Gruppen besprochen und bearbeitet werden. Gearbeitet wird bis zum Mittagessen.
Darauf folgt eine kleine Siesta, da es am Mittag recht heiss wird und man auch ein bisschen Ruhe und Freizeit braucht. Baden, sünnele oder im Dörfli einen Kaffee trinken gehen ist jetzt angesagt. Die Badefreuden beschränken sich dieses Jahr allerdings auf zwei Tage, da es leider meistens bewölkt und regnerisch ist. Die Siesta dauert bis vier Uhr, dann stehen Workshops auf dem Programm, gemeinsame Unternehmungen unabhängig vom festgesetzten Konfthema, deren Angebote den verschiedenen Bedürfnissen der Könfis entgegenkommen. So wird etwa jeden Tag Fussball gespielt, um die Energie rauszulassen und der einheimischen Dorfjugend den Meister zu zeigen. Sehr beliebt ist auch die Herstellung der Tagesschau, bei welcher es darum geht, während der ganzen Woche kleine Filmsequenzen aufzunehmen, aus denen dann ein Film über das Lager entsteht. Inhaltlich kann das von kleinen Krimis über Talkshows bis zu Szenen von totalem Unsinn reichen. Weitere Aktivitäten sind Volleyball, ein Gang zum Coiffeur oder das Kochen des Abendessens. Zwei Ausflüge in die Umgebung lockern die Woche auf. Diese führen uns dieses Jahr nach Siracusa und Riesi. In Riesi besuchen wir die Waldensergemeinde, mit der das Grossmünster seit Jahrzehnten regelmässige Kontakte pflegt, und feiern zusammen Gottesdienst. Da die reformierten Christen in Sizilien gegenüber den Katholiken eine kleine Minderheit sind, bedeutet ihnen dieses alljährliche Treffen sehr viel. Die intensiven Tage vergehen im Flug, und schon heisst es packen und das Haus putzen, um die Heimreise anzutreten. Mit der Vorfreude auf Zürich und Scoglitti im Rücken sehnen wir uns bereits jetzt wieder nach dem kleinen sizilianischen Dörfchen und seinem unbeschreiblich köstlichen Cappuccino. – Ciao Sicilia, ci rivediamo!
Marino Schneider und Moritz Senn