Alt Züri aktuell

Die Wirtschaft «Alt Züri» bewahrte etwas, was auch heute noch den Charme dieses kleinen, gepflegten Lokals ausmacht, nämlich Kultur.

Alles wird älter, die Wirtschaft «Alt Züri» war schon immer betagt, aber sie bewahrte etwas, was auch heute noch den Charme dieses kleinen, gepflegten Lokals ausmacht, nämlich Kultur. Die Speise- und die Weinkarte sind zürcherisch ausgerichtet, hingegen die Kultur, kann man sagen, ist auch schon einmal international.

Beginnen wir mit dem Essen und hier sofort mit einer Ausnahme vom Zürcherischen, einer Curryrahmsuppe mit Crevetten, die schön scharf und mit vielen Crevetten erfreute (Fr. 9.–, als Hauptgang Fr. 16.–). Beim Tomatensalat wird speziell die mit wenig Balsamico gewürzte Sauce gelobt (Fr. 8.–). Alpenlammschnitzel aus der Tageskarte waren zart und die Spätzli und der Rosenkohl waren gut und reichlich auf dem Teller (Fr. 19.50). Nun kommen wir zur Hauptsache, dem «Zürcher Chatzegschrei», Gehacktes von Rind und Kalb auf Hörnli, das vielleicht Gottfried Keller, der hier Stammgast war, schon genossen hatte. Oder vielleicht auch nicht, da Keller Katzen gerne hatte, wie seine Erzählung «Spiegel, das Kätzchen» beweist. Jedenfalls mundete die Sache gut und die Portion war gar nicht klein (Fr. 21.–). Zudem wurden drei Brotsorten gereicht. Zum Dessert erschien ein hausgemachter Schoggikuchen, mit oder ohne Rahm ein Gedicht.

Neben der normalen Speisekarte mit Älpler-Maccaroni, Bassersdorfer Schüblig, Sechseläutenbratwurst, Kalbszüngli nach Chorherren-Art und Kalbsfilet «Gottfried Keller» mit grünem Pfeffer gibt es eine Grillkarte, eine Vegikarte und die Lunchkarte für jeden Tag, zum Beispiel am Mittwoch im September Rindsbraten an Burgundersauce mit Rüebli und Kartoffelstock.
Unser Mahl eröffnete ein Pineis Räuschling aus der Staatskellerei, frisch und mundig (dl Fr. 5.80), gefolgt von einer Flasche Burgreben aus Riesbach, auf Wunsch normal oder kühl, die ebenso guten Zuspruch fand (Fr. 36.–). Auf der Karte gab es bei den Weissen noch einen Fechy «Le Bayols» (dl Fr. 4.30) und den Aigle «Les Murailles» (dl Fr. 6.60) und bei den Roten den Weinländer Klevner von der Staatskellerei (dl Fr. 4.20) und den «Dôle des Monts» von Gilliard.

Kultur in Wort und Ton
Wer sich am Freitag auf einen der vierzig Plätze in der Wirtschaft oder an die Bar setzt, kann immer mit Konzert rechnen. Einmal ein Klarinettist aus dem Opernhaus, dann Sänger aller Tonarten oder Schwyzerörgeli oder Gitarre, und nicht zuletzt leitet ein Stamm-Barpianist, der Donnerstag, Freitag und Samstag spielt, durch den Abend.
Lesungen gibt es zum Geburtstag von Gottfried Keller und im Winter auf Einladung, wobei die Lesenden illustre Namen tragen. Ihre Konterfeis hängen gerahmt an der Wand und man erkennt Maria Becker, Anne-Marie Blanc, Victor Schobinger (Mundart), Ulrich Knellwolf, Robert Freitag, Peter Stamm, Hugo Loetscher und Simon Estes, der das Lokal mit seiner Stimme füllte. Wenn man Glück hat, kann man hier auch noch einmal die berühmten Chansons von Friedrich Holländer hören. (Einladungen erhält man, wenn man seine Adresse hinterlegt oder www.alt-zueri.ch eintippt. Das Nachtessen mit Lesung kostet von Fr. 35.– bis 70.–.)

Haus und Leute
Walter Baumann berichtet: Die «Häfelei», die sich heute «Alt Züri» nennt, beherbergte die intellektuelle Vorstufe zum «Gambrinus» (heute Heilsarmee), Treffpunkt von Schauspielern, Künstlern und liberalen Professoren der Universität. In der «Häfelei» tranken Studenten, Kunstadepten und spätpubertierende Revoluzzer billigen Kopfwehwein. Berühmtester Gast war der junge Gottfried Keller, der eben daran war, den Pinsel gegen Poesie auszutauschen. Er wohnte noch bei seiner Mutter am Rindermarkt und verfasste eisenfresserische Gedichte gegen Reaktion und Klerisei. Aber im Gegensatz zu seinem literarischen Vorbild Herwegh wollte Keller nicht nur mit der Feder kämpfen. Ein Bild in der Wirtschaft zeigt denn auch den Auszug des kleinen Freischarzuges nach Luzern, im Sommer 1845. Sie kamen nicht weit, das Ende war ein Gelage. (Quelle «Zu Gast im alten Zürich», von Walter Baumann.)

Das Haus gehört heute einem Teil der Verbindung der Turicer, die hier auch ihren Tisch haben. Geführt wird die Wirtschaft seit zehn Jahren von Werner Tanner und seiner Schwester Irene Tanner, welche während dreissig Jahren Swissair-Gäste betreute. Diesen Charme spüren auch noch die heutigen Gäste. Am Herd steht Küchenchef Jadiel Fentosa, der – wie gesagt – die zürcherische Küche bestens beherrscht.

Peter Keck


Wirtschaft «Alt Züri», Schoffelgasse 11, Ankengasse 6, 8001 Zürich. Telefon 01 251 24 38. Offen Dienstag bis Freitag 11.30 bis 14 und ab 18 Uhr bis Schluss, Samstag ab 18 Uhr, Sonntag und Montag geschlossen. Im Sommer 20 Plätze auf der Terrasse.