Quartett in der Waag

Diesmal kehrten unsere beiden Kulinarier nicht zu zweit, sondern zu viert ein, im Zunfthaus zur Waag.

Mit einem befreundeten Ehepaar nämlich, das sie in die Berichterstattung gleich einbezogen. Es hat allen vortrefflich gemundet, so viel vorweg, auch, weil an jenem Tag Rosa Tschudi in der Küche stand. Doch auch ohne sie ist die Waag in jeder Hinsicht, kulturell wie kulinarisch, ein Besuch wert.

Herr Keck: Lieber Herr Henne, liebe Frau Henne, wie Sie richtig bemerkten, steht heute Rosa Tschudi am Herd. Und weil sie eigen- und bodenständig kocht, gibt es heute nur ein Menu, auf das wir uns erwartungsvoll freuen.
Lieber Herr Keck, die Freude ist auch auf unserer Seite, doch wählen wir zuerst noch einen Wein, um auf Rosa Tschudi anzustossen. Ein Freisamer vom Schipfgut scheint mir richtig. Ja und er ist wirklich gut! Zum Wohl allerseits.
Da wir die Speisekarte heute nicht brauchen, beziehungsweise schon kennen, kann ich Ihnen etwas über die Kultur des Hauses erzählen. Der Zunftwirt Sepp Wimmer hat es mit der Musik, denn er ist in Salzburg aufgewachsen. Hier in Zürich nun möchte er jungen Künstlern ein Forum bieten, wo sie auftreten und ihr Talent zeigen können. Dies geschieht hauptsächlich mit Konzerten am Sonntagmorgen oder gegen Abend. Danach gibt es eine Kollekte und einen feinen Apéro oder man kann zum Essen bleiben.

Kulturelle Aktivitäten
Waren Sie schon öfters da, Frau Lier?
Frau Lier: Oh ja, wir besuchten den Zirkuspfarrer Heller, der nicht nur redete, sondern als Clown Gottes noch Klarinette spielte. Dann den unverwüstlichen Komponisten und Pianisten Boris Mersson, der allerdings mit über neunzig Jahren nicht mehr als junger Künstler gilt.
Danke, Frau Lier, für die Erinnerungen. Dieses Jahr gab es auch noch eine Matinée zum Schalttag. – Nun kommt der Schwartenmagen mit Balsamico-Vinaigrette. Was meinen Sie, Herr Henne?
Sehr gut, sehr fein und die Vinaigrette passt gut.
Bald folgen die gebackenen Eglifilets mit Sauce Mayonnaise, ich wünsche nun also auch den Damen guten Appetit.
Den haben wir, Herr Keck. Die Filets sind knusprig und exakt so, wie sie sein sollen.
Die Kalbfleischravioli in Butter sind gottlob klein, aber fein und ich höre Zustimmung. Gleiches gilt für den folgenden Sauerbraten nach Grossmutterart mit Brotcroutons und Kartoffelstock. Was meinen Sie, Frau Henne?
Für mich ist der Stock etwas fad, aber der Braten ist ausgezeichnet. Was meint Frau Lier?
Da ich schon bis oben voll bin, werde ich den Stock allenfalls weglassen, umso mehr, als ich mit dieser Lockenrolle kein Seeli machen kann.
Bald ist Frühling, dann können Sie wieder im See baden. Aber ich muss noch einmal auf den Zunftwirt Sepp Wimmer zurückkommen. Er wirkte früher im Hotel Sonne in Küsnacht auch schon kulturell. Das kam der Waag zugute. Waren es am Anfang vier Konzerte, so sind es heute sechs im Monat. Aber auch der kulinarische Umsatz ist gestiegen, seit 2004 wurde der Umsatz verdoppelt. Die sympathische kulturelle Aktivität trägt offenbar zur Kundenbindung bei. Zur Kultur gehört ja immer auch Essen und Trinken. – Anzufügen ist, dass die schönen Programmhefte immer bei einem Hilfswerk hergestellt werden und auch das noch: Sepp Wimmer kennt die Waag bereits von früher, denn er hat einst im Mai im Zunftsaal geheiratet.

Ein Haus mit Geschichte
Das Dessert ist da. Glücklicherweise habe ich heute diese Köstlichkeit nicht ausgelassen: Gebrannte Crème nach Rosas Art. Ich bemitleide Herrn Keck für seinen Verzicht…
Kein Problem, ich geniesse gerne noch etwas vom Roten, ein Malbec aus Oberengstringen von Zweifel. Übrigens kann man in der Waag auch ohne Rosa Tschudi sehr gut essen, nämlich «Kleine Köstlichkeiten», «Aus dem Suppentopf», «Vegetarische Verführung», «Fisch und Wald und Wiese». Der kreative Küchenchef, Alain Koenig, heute ausnahmsweise arbeitslos, ist ab morgen wieder am Werk.
Warum heisst die Zunft zur Waag so und hat die Waage im Wappen? Zünfter waren doch die Hutmacher und Leinenweber.
Ja, meine Lieben, das kam so: Im Jahr 1385 kauften zweiundzwanzig Leinenweber das Haus vom Apotheker Peter, der als Firmenzeichen die Waage im Schild führte. Sie überliessen das Haus 1393 der Zunft der Leinenweber, zu denen 1440 die Wollweber stiessen. Sie gaben sich den Namen des Hauses, «Zunft zur Waag». 1630 kaufte die Zunft noch das östlich anschliessende Haus. 1636 wurden beide Häuser abgerissen und es entstand das heutige Zunfthaus. Während der französischen Revolution ging es in (Zunft-) Privatbesitz über und gehörte ab 1828 wieder der Zunft. Ihr seht, auch Häuser haben Geschichte.
Der Kaffee ist da, und die Friandises. Alles perfekt. Und der Abend neigt sich dem Ende zu…
Und wir begeben uns satt und zufrieden zur Ruh.

Zunfthaus zur Waag, Restaurant, Zunftsaal und Zunftstube. Münsterhof 8, 8001 Zürich, Tel. 044 216 99 66. Offen täglich 9 bis 24 Uhr.

Von Peter Keck*


*Peter Keck und Edith Lier essen und trinken zusammen, weil es geselliger ist – diesmal in Begleitung von Dieter und Züsi Henne. Mal schreibt
Herr Keck, dann wieder Frau Lier.