Wo der Papst im Glas sitzt

Das «Bü’s» liegt an der Kuttelgasse zwischen Süssem (der Confiserie Ladurée) und Spitzem oder allenfalls Scharfem (dem Dessous-Haus Triumph): ein kleines Lokal mit grossem Weinkeller.

Irgendwann muss das Lokal von Jörg Bühler (an der Front) und Alexander Günther (am Herd) aus dem «Gault-Millau» gefallen sein. Noch 2011 lobte der Gastroführer: «So bleibt die funkelnde Festlichkeit vor allem Weinkennern und Liebhabern von Bü’s Sprachwitz in guter Erinnerung.» Dann schwieg er, im Gegensatz zu ­Robert Parker, der letztes Jahr mit drei Buddies dort ass.
Parker kam nach zwei Flaschen Riesling aus Österreich und zwei Flaschen Châteauneuf-du-Pape zum Schluss, die Quiche Lorraine und das Cordon bleu im «Bü’s» seien «sensationell» und er empfehle das Lokal ­jedem, der seinen Fuss nach Zürich setze. Höher kann man die Latte kaum legen. Parker gilt als einflussreichster Kritiker. Was Wein angeht.

Exquisite Weine
Mein Buddy Benjamin Bö(gli) wollte ins Bü(hler), weil er das Restaurant an der Kuttelgasse auf seinem Heimweg zum Limmatquai zwar stets bemerkt, aber nie betreten hatte. «Die Fassade sieht hübsch aus», sagt er, «irgendwie französisch.» Bö ist Gründer des Magazins «Bonnie & Clyde», einem Magazin für «Kultur mit viel scharf», wie es im Untertitel heisst.
Er sass schon dort, als ich meinen Weg durch die Stafette aus Zweier­tischen auf der einen Seite und der Bar auf der anderen nahm, auf deren ­Ledersesseln bullige Männer in Anzügen und eine Blonde mit Hund ­sassen (auf je einem der Sessel). Bö hatte den Text über Parker nicht ge­lesen, er bestellte sich einen Nüsslisalat mit Ei (Fr. 16.50).
Ich blieb bei der flüssigen Kost, weil ich das Dessert ausprobieren wollte. «Wohin soll es denn gehen?», hatte mich die Kellnerin gefragt. Es ging ins Friaul, der Chardonnay war leicht und süffig und mit Fr. 8.20 der Dezi sehr zahlbar. Vor allem, wenn man ­bedenkt, dass im Keller exquisite Weine vor sich hin reifen, die bis zu – halten Sie die Luft an – 9999 Franken kosten. Okay, für einen 1982er Bordeaux mit sechs Litern Inhalt, also ­eine «Impériale» (eine Sechsliter­flasche Champagner nennt man Methusalem).

Wo ist der Hund hin?
Als Hauptspeise wünschte ich die Hausspezialität am Donnerstag, den Hackbraten. Den gibts heute nicht, sagte der Kellner, und die Leber vene­zianische Art, die gibts nur am Dienstag, aber es war Donnerstag. So bestellte ich den Ossobuco mit Risotto (Fr. 46.–) und Bö das Cordon bleu (Fr. 52.–). Es war «gut, aber nicht raffiniert», sagte er und lobte die «anständige Portion». Meine Haxe schmeckte gut, der Risotto hätte gerne länger in der Pfanne kuscheln dürfen.
Aufs Dessert verzichtete ich schweren Herzens und leichten Magens – zu gerne hätte ich Bühlers «Guguseli ­Tabitha mit Suurrahmglacé, Streulis Cassislikör, Bü’s Olivenöl und Madagaskarpfeffer» (Fr. 13.50) probiert. Aber der Geräuschpegel im hohen Raum wurde zu irritierend wegen der Gruppe, die neben uns Wein kostete und der Blonden, die lockend und tadelnd hinter ihrem Hund her war, der unter unserem Tisch nach Essbarem suchte.
In der Bar der «Kronenhalle» erzählte Bögli, was er mit «Bonnie & Clyde» will: «Kulturell Zauberhaftes herausschälen.» Kultur und Unterhaltung, Liebe und Sex verbinden, «aber nicht vermischen». Und die gesammelten Perlen zehn Mal pro Jahr drucken. Die Suche nach einem Verlagspartner laufe auf Hochtouren.
Kurz: So lange Menschen wie Benjamin Bögli und seine Leser ans gedruckte Wort glauben, so lange wird es das auch geben.

René Ammann*


Restaurant «Bü’s», Kuttelgasse 15, 8001 Zürich, Tel. 044 211 94 11, www.buetique.ch. Offen Montag bis Freitag von 11 bis 23.30 Uhr und Samstag von 11.30 bis 17.30 Uhr, sonntags geschlossen.


*René Ammann isst und trinkt jeweils mit einem Gast, weil es geselliger ist. Diesmal mit dem Journalisten und Niederdörfler Benjamin Bögli, Gründer des Magazins «Bonnie & Clyde», www.bonnie-and-clyde.com.