Ein Cornet im Kakao

Gibt es im Kreis 1 überhaupt noch Geheimtipps? Wenn ja, dann das Restaurant «20/20», wo der junge Küchenchef David Klocksin Erstaunliches herbeizaubert.

An wenigen Orten der Stadt ist die Ballung an Handtaschen so dicht wie dienstags und samstags an der ­Nüschelerstrasse. Dann köpft die «Mövenpick»-Wein-Bar an ihrem berühmten «Champagner à discretion» die Flaschen. Für 39 Franken gibts Cüpli-Pröschtli, bis das Gehen in Stöckelschuhen zum Problem wird.
Schwankend wie der Gang mancher Gäste nach der Champagner-Sause ist die Bewertung des Lokals im ersten Stock – dort ist das «20/20» zu Hause. Im «Gault-Millau» erreichte es im Jahr 2013 appetitliche 15 Punkte, um später nicht mehr erwähnt zu werden. Der neuen Equipe hätten Jacqueline Wagner** und ich die 15 Punkte gerne zurückgegeben. «20/20» heisst das Lokal, weil «Mövenpick» seine Weine wie der «Gault-Millau» die Res­taurants mit Punkten dekoriert. Bei beiden ist 20 die höchste Punktzahl.

Cornettli mit Tatar
Zum Start gabs ein Amuse-bouche, eine Crevette, die in griechisches Joghurt getaucht und in einen Streifen Avocado eingerollt worden war. Der Gaumenkitzler sah hübsch aus und schmeckte sehr gut. Jacqueline wählte die kurz angebratenen Thunfisch­würfel auf Kichererbsen mit Brunnenkresse und Radiesli (Fr. 22.–). Sie war ebenso begeistert wie ich über das kleine Cornet mit Tatar und Kar-toffelstock, das in einem Töpfchen voller Kakaosplitter fusste. Der Koch hatte es schicken lassen, damit mir nicht langweilig wird.
Im Lokal hats «unheimlich viel Platz», bemerkte Jacqueline. Von den anderen Gästen an den locker platzierten Tischen hört man kaum etwas, das liegt aber auch an der Musik, die irgendwo zwischen Wellness, Andreas Vollenweider und House durch die traditionelle Arvenstube wabert (die frühere «Bündnerstube»).
David Klocksin und der Geschäfts­führer, Quirin Schaer, ehren das Erbe des «Mövenpick»-Gründers Ueli Prager: Sie tauften unter anderem eine Vorspeise nach ihm, mit Rindstatar. (Die Schweizer verzehrten das Fleisch damals lieber gebraten oder gesotten, als Siedfleisch).
«Wir würden den oberen Stock gerne mehr beleben», sagt Klocksin. Wenn er so weiterkocht, wird sich sein Wunsch rasch erfüllen. Die Wein-Bar im Parterre ist eh schon jeden Abend zum Bersten voll, nicht nur an den stadtbekannten Cüpli-Anlässen.

«Etwas vom Besten»
Nach dem Glas Yvorne L’Ovaille (Fr. 10.– der Dezi) stiegen wir auf einen Riesling aus dem Saarland um (Fr. 8.–). Der schmeckte sowohl zu Jacquelines Zander mit Artischocke und Kartoffelstock (Fr. 42.–) wie zu meinem «Züri-Gschnätzlete» mit einer Träne Calvados drin (Fr. 47.–).
«Der Zander ist sicher etwas vom Bes­ten, was ich in letzter Zeit gegessen habe», sagte Jacqueline. Die Kalorien wird sie locker los beim Bergwandern und Bergsteigen. Jacqueline und ich sind zusammen im Hochgebirge aufgewachsen, in Davos-Platz, sie noch etwa hundert stotzige Höhenmeter Heimweg höher als ich.
Das «Gschnätzlete» wird übrigens in einem Röstiring serviert, ähnlich wie einst das Riz Casimir, auch das eine Erfindung von Ueli Prager. Er eröffnete das erste «Mövenpick» 1948 und servierte den Schweizern so Fremdländisches oder Neumödisches wie rohe Austern oder das Rindstatar oder eben Curry wie beim Riz Casimir.
Man merkt bei jedem Gang, dass Klocksin ein talentierter Koch mit ­eigener Linie ist und wünscht sich, er möge trotz seiner Wanderjahre, die ihn ständig an einen anderen Ort führten, etwas länger in der Stadt bleiben.

René Ammann*

Restaurant «20/20 by Mövenpick Wein», Nüschelerstrasse 1, 8001 Zürich, Tel. 044 211 45 70. Offen Dienstag bis Freitag von 11.30 bis 14.30 Uhr und 18 bis 23 Uhr, Samstag 18 bis 23 Uhr. Sonntag und Montag geschlossen. www.20-20.ch.


*René Ammann isst und trinkt jeweils mit einem Gast, weil es geselliger ist. Diesmal mit Jacqueline Wagner. Die beiden kennen sich von Kindsbeinen an.